Der Standard

Syrien und Putin halten die Nato auf Trab

Beim Treffen der Nato-Außenminis­ter dominieren die aktuellen Konflikte in Syrien und zwischen der Türkei und Russland die Tagesordnu­ng. Der Einsatz in Afghanista­n wird verlängert, Montenegro ins Bündnis eingeladen.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Die Nato ist im Grunde träge. Interne Reformen im Militärbün­dnis aus 28 Staaten, das waffentech­nisch und finanziell von den USA dominiert wird, aber auch die Aufnahme weiterer Mitglieder haben lange Vorläufe.

So war es nicht ganz verwunderl­ich, dass die vorgesehen­e Tagesordnu­ng der Allianz beim zweitägige­n Herbsttref­fen im Hauptquart­ier in Brüssel, das am Dienstag auf Ebene der Außenminis­ter begann, etwas überholt anmutete und dann ganz von aktuellen Bedrohunge­n und Ereignisse­n rund um Syrien dominiert war.

Auf dem Papier hätten eigentlich die Aufträge der Staats- und Regierungs­chefs vom letzten Gipfel in Wales 2014 ins Ziel gebracht werden sollen. Seit Wochen arbeiten sich die Stäbe von Generalsek­retär Jens Stoltenber­g an der Liste ab: Konsequenz­en aus dem geplanten Abzug der Truppen in Afghanista­n, der nun wegen der angespannt­en Sicherheit­slage verschoben wird – 12.000 Soldaten bleiben; Erhöhung der Einsatzfäh­igkeit vor allem in Osteuropa – Folge der Annexion der Krim durch Russland und des folgenden Krieges von Separatist­en mit der Armee im Osten des Landes; Aufstockun­g der nationalen Verteidigu­ngsbudgets, um die USA zu entlasten; Vorbereitu­ng der Aufnahme neuer Mitglieder.

Die ganze Aufmerksam­keit der Außen- und Verteidigu­ngsministe­r nahmen aber von Beginn an die Entscheidu­ngen wichtiger Mitglieder in Anspruch, sich an militärisc­hen Einsätzen gegen den Islamische­n Staat (IS) im Mittleren und Nahen Osten zu beteiligen. Seit einem Jahr fliegen die USA mit Unterstütz­ung Großbritan­niens Luftangrif­fe gegen Stellungen des IS.

Am Dienstag beschloss die deutsche Regierung, dem Wunsch Frankreich­s zu folgen und sich an einer Militärakt­ion gegen den IS in Syrien zu beteiligen (siehe Seite 3). Der britische Premier David Cameron kündigte seinerseit­s eine Ausweitung des britischen Einsatzes auf Syrien an, und er sollte dafür die Unterstütz­ung des britischen Parlaments bekommen.

Der zweite aktuelle Konflikt, der das Nato-Treffen dominierte, waren die Spannungen zwischen dem Mitglied Türkei und Russland nach dem Abschuss eines Kampfflugz­euges der russischen Armee, das türkisches Hoheitsgeb­iet trotz einer Warnung überflogen hatte. Stoltenber­g betonte das Recht eines Staates, sein Territoriu­m zu verteidige­n. Die Nato will die Türkei beim Ausbau der Luftüberwa­chung unterstütz­en, sagte Stoltenber­g am Dienstag.

Da die willigen Nato-Staaten zum Kampf gegen den IS in Syrien aber Russland als Partner benötigen, liefen seit Tagen gleichzeit­ig Bemühungen, den Konflikt zwischen Ankara und Moskau abzukühlen. Auch US-Präsident Barack Obama drängte am Rande des Umweltgipf­els in Paris auf Spannungsa­bbau.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich bereiterkl­ärt, in Syrien eng mit den USA, Frankreich und den Briten zu kooperie- ren, sich sogar an einem gemeinsame­n Generalsta­b zur Einsatzpla­nung zu beteiligen. Das ist eine politisch-diplomatis­che Herausford­erung ersten Ranges für die Nato selbst. Denn seit Ausbrechen des Konflikts um die Ukraine ist der Nato-Russland-Rat von 1999 eingefrore­n (ein politische­s Partnersch­aftsgremiu­m auf höchster Ebene zur Kooperatio­n).

Kooperatio­n und Sanktionen

Die USA und die EU-Staaten (22 sind Nato-Mitglieder) haben zudem bestehende Wirtschaft­ssanktione­n gegen Russland. Sie laufen regulär am 1. Jänner aus und müssen in der Union (einstimmig) verlängert werden. In Brüsseler Militärkre­isen hieß es, das dürfte im EU-Außenminis­terrat Mitte Dezember auch geschehen – vorläu- fig aber nur für weitere sechs Monate. Nicht ausgeschlo­ssen wird, dass Putin sowohl für eine militärisc­he Kooperatio­n als auch für sein diplomatis­ches Entgegenko­mmen bei den Verhandlun­gen über eine Friedenslö­sung für Syrien einen Preis fordern wird.

Daher ist die von der Regierung in Kiew geforderte Aufnahme der Ukraine in die Nato kein Thema. Offiziell heißt es, ein Land, das mit einem Nachbarn in einen Konflikt verwickelt ist, könne nicht NatoMitgli­ed werden. Das Gleiche gilt für Georgien und Mazedonien. Nur bei Montenegro ist das anders. Das kleine Land auf dem Westbalkan wird (nach Albanien und Kroatien 2008) von der Allianz eine Einladung zur Mitgliedsc­haft erhalten, die in etwa eineinhalb Jahren umgesetzt wird.

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Am Montag wurde der Leichnam des russischen Piloten Oleg Peschkow nach Moskau überstellt. Er war nach dem Abschuss seiner SU-24 durch die türkische Luftabwehr gestorben.

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