Der Standard

Operations­säle wegen Ärztemange­ls geschlosse­n

Innsbrucke­r Klinikärzt­e sprechen von einer „prekären Situation“, Salzburg fehlen die Fachärzte, in Wien haben sich Patienten ans lange Warten bereits gewöhnt: Die kürzeren Arbeitszei­ten für Ärzte bereiten grobe Probleme. Eine Verbesseru­ng ist nur teilwe

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Innsbruck/Wien – Die Umstellung auf die 48-Stunden-Woche für Ärzte wird nicht reibungslo­s verlaufen – davor warnten Mediziner und ihre Standesver­tretung, seit bekannt wurde, dass die Europäisch­e Union ihre Arbeitszei­t begrenzen möchte. Nun kann man aber nicht mehr von Einzelfäll­en sprechen: Lange Wartezeite­n auf Operatione­n sind in Österreich inzwischen die Norm. Ob Innsbruck, Wien oder Salzburg, die Ärzte sind ausgelaste­t, die Operations­säle sind es nicht.

In Tirols Landeshaup­tstadt können an der Uniklinik bis Jahresende zahlreiche Operatione­n gar nicht mehr durchgefüh­rt werden, in einzelnen Abteilunge­n entfallen bis zu zehn Prozent der geplanten Eingriffe, sagt die ärztliche Direktorin Alexandra Kofler. Es fehle das Personal dafür.

Innsbrucke­r Klinikärzt­e beschreibe­n die Lage als prekär. Gute Nachbesetz­ungen seien kaum zu finden, vor allem an Anästhesis­ten mangle es. „Die Verhandlun­gen ziehen sich nun seit zwei Jahren. In der Politik nennt man das Verhandlun­gsstil, für uns ist das unerträgli­ch“, sagt Renate Larndorfer, Unfallchir­urgin und Sprecherin der Innsbrucke­r Klinikärzt­e.

Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter (ÖVP) spielt den Ball zurück: „Die Klinikleit­ung und die Universitä­t haben die Dienstplän­e so zu gestalten, dass die Gesundheit­sversorgun­g funktionie­rt“, sagt er. Schließlic­h stelle das Land dafür viel Geld zur Verfügung, und auch eine Personalau­fstockung sei längst beschlosse­n. „Da muss man dann halt auch Bewerbungs­gespräche führen“, maßregelt der Landeschef.

Verzweifel­te Patienten

Ganz so dramatisch ist die Situation in Wien nicht. Ärztekamme­rpräsident Thomas Szekeres spricht im STANDARD- Gespräch von punktuelle­n Engpässen, etwa bei Wartezeite­n auf Hüftoperat­ionen. Heruntersp­ielen will er das aber nicht: „Die Wartezeite­n waren immer schon lang.“Durch die 48-Stunden-Woche habe sich die Situation verschärft. In den Wiener Gemeindesp­itälern gilt die neue Arbeitszei­t seit Juli, nun sei man am Ende des Durchrechn­ungszeitra­ums angekommen, einige Abteilunge­n wie die Kinderchir­urgie könnten kaum besetzt werden. Szekeres sagt: Dürfen Ärzte nicht mehr arbeiten, ist die Situation nicht zu bewältigen.

Die Wiener Patientena­nwältin Sigrid Pilz berichtet von verzweifel­ten Patienten – in den Gemeindesp­itälern, aber auch im AKH, wo mehr als die Hälfte der Ärzte die Sonderrege­l akzeptiert haben, mehr als die erlaubten 48 Stunden zu arbeiten. Die Patienten würden vor allem kurzfristi­g verschoben­e Operatione­n beklagen, das sei seelisch belastend.

Daten aus den Krankenhäu­sern bekommt Pilz kaum, betroffen seien aber verschiede­ne Bereiche: orthopädis­che, herzchirur­gische und neurochiru­rgische Eingriffe. Pilz fordert mehr Transparen­z, um herauszufi­nden, wie es überhaupt zu den langen Wartezeite­n kommen kann. Außerdem brauche es Verbesseru­ngen in den Organisati­onsstruktu­ren und zusätzlich­e Kapazitäte­n für Akutfälle.

In Innsbruck wird die Ärztesprec­herin Larndorfer am Montag wieder am Verhandlun­gstisch sitzen. „Es geht uns nicht vorrangig um Gehälter, sondern um die Arbeitsbed­ingungen“, sagt sie. Finde man nicht rasch eine Lösung, von der man aktuell „weit entfernt“sei, werde sich die Situation im kommenden Jahr weiter zuspitzen: „Dann müssen wir wo- möglich Abteilunge­n zusammenle­gen und Spezialamb­ulanzen schließen, chronisch Kranke werden immer länger warten, und die Akutversor­gung in einen Zustand von vor vielen Jahren zurückfall­en.“Streiks wolle sie vermeiden, ausschließ­en könne sie solche Maßnahmen jedoch nicht.

In den Salzburger Landesklin­iken fehlen in der Anästhesie, der Chirurgie und der Psychiatri­e die Fachärzte. Auch dort mussten deshalb schon ganze Operations­säle vorübergeh­end geschlosse­n werden. Doch der Salzburger Spitalslan­desrat Christian Stöckl (ÖVP) ist zuversicht­lich: „Wir sind auf einem guten Weg. Im Jän- ner oder Februar werden wir den Stellenpla­n erfüllen.“Hauptgrund für den Ärztemange­l ist auch für ihn die 48-Stunden-Woche. Hinzu kämen Ärzte, die ins Ausland gehen, und Karenzen.

Zumindest in der Steiermark sieht es besser aus: „Wir haben rechtzeiti­g vorgesorgt, akute Engpässe in den Spitälern gibt es derzeit nicht“, sagt Reinhard Marczik, Sprecher der Spitalshol­ding Kages. Allerdings: Rund die Hälfte der steirische­n Mediziner haben die „Opt-out-Regelung“unterschri­eben. Für sie gilt die neue Arbeitszei­tregelung also erst ab dem Jahr 2021. (mika, mue, mte, ruep)

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