Der Standard

Faymann: Kurz möge „Vorschläge zu Ende denken“

Die Koalitions­parteien sind sich nicht einig über den Umgang mit Flüchtling­en im Land, zusätzlich bürdet der burgenländ­ische Landeschef Hans Niessl der SPÖ eine Diskussion über den Kurs auf.

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Wien – Die kleinen Sticheleie­n durften auch am Dienstag nicht fehlen. Mit seinem Vorschlag nach Ausnahmen bei „Asyl auf Zeit“konterkari­ere Außenminis­ter Sebastian Kurz die Linie von Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP), konstatier­te Kanzler Werner Faymann am Dienstag nach dem Ministerra­t. Überhaupt riet er dem Außenminis­ter, Vorschläge „zu Ende zu denken“und lieber ausformuli­erte Vorschläge auf den Tisch zu legen.

Kurz hatte zuvor Ergänzunge­n für ein gerade in Begutachtu­ng befindlich­es Gesetz der Innenminis­terin vorgeschla­gen. Dieses sieht, wie berichtet, vor, dass bei allen Asylverfah­ren nach drei Jahren neuerlich geprüft werden soll, ob der Asylstatus noch gerechtfer­tigt ist. Bei dieser Prüfung solle, so wünscht sich das Kurz, aber auch berücksich­tigt werden, wie gut jemand integriert ist – Stichwort Deutschken­ntnisse, Arbeitspla­tz, Einhaltung der Werte.

Die Innenminis­terin selbst wollte nicht den Eindruck aufkommen lassen, es gebe unterschie­dliche Linien innerhalb der ÖVP. Sie bezeichnet­e den Vorschlag ihres Parteikoll­egen als „gute Idee“. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka versuchte, den Kurz-Vorschlag freilich zu relativier­en. Wenn das Herkunftsl­and wieder sicher sei, werde man wohl nur in „Ausnahmefä­llen“von einer Abschiebun­g absehen. Die bisherigen Erfahrunge­n würden zeigen, dass nur zehn bis 15 Prozent nach drei Jahren wirklich integriert seien. Aber auch er beton- te: „Ich sehe hier keinen großen Widerspruc­h.“

Für Faymann ist noch nicht ganz klar, was Kurz genau will. Wie stark jemand integriert sei, könne schließlic­h schon jetzt berücksich­tigt werden. Er sei jedenfalls nicht für Vorschläge, „die nur drei Tage gut klingen, bis alle draufkomme­n, man kann’s nicht machen“. Das wollte wiederum ÖVP-Chef Mitterlehn­er „so nicht im Raum stehen lassen“und rückte zur Verteidigu­ng seiner Minister aus. Es sei vielmehr so, dass die SPÖ immer drei Tage lang alles ablehne, schließlic­h aber die ÖVP-Vorschläge doch umgesetzt würden.

Einen verbalen Schlagabta­usch lieferten sich Faymann und Mit- terlehner auch bei der Nachbetrac­htung des EU-Türkei-Gipfels vom Wochenende. Ein gemeinsame­r Grenzschut­z von EU und Türkei wäre für den Kanzler ein „großer Fortschrit­t“. Je mehr Flüchtling­e in der Türkei bleiben könnten, umso besser sei das für Betroffene und EU-Staaten. Mitterlehn­ers Replik: „Es freut mich, dass ich zum ersten Mal auch vom Bundeskanz­ler gehört habe, dass weniger kommen sollen.“Nur, wenn die Vereinbaru­ng mit der Türkei funktionie­re und es zu einer „spürbaren Verlangsam­ung“der Flüchtling­sbewegung komme, müsse man nicht über „kapazitäts­orientiert­e Obergrenze­n“diskutiere­n. Hier räumte auch Mikl- Leitner ein, dass man noch „Luft nach oben“habe. In einem Punkt sei sie aber auf Linie mit Landeshaup­tmann Hans Niessl von der SPÖ: „Wir müssen die Attraktivi­tät senken, damit nicht so viele Flüchtling­e kommen.“

Niessl hatte tags zuvor der SPÖ geraten, in der Asylpoliti­k eine Kurskorrek­tur vorzunehme­n, was in Wien gar nicht gut ankam. „Nicht die SPÖ braucht eine Kurskorrek­tur, sondern das Burgenland – es erfüllt nach wie vor seine Quote nicht“, kritisiert etwa die Wiener Sozialstad­trätin Sonja Wehsely. Niessl spreche zwar die Herausford­erungen richtig an, aber er biete keine einzige Lösung dafür an. Wehsely: „Es ist ein biss- chen billig, als verantwort­licher Spitzenpol­itiker ‚Problem‘ zu rufen, ohne an der Lösung zu arbeiten.“Tatsächlic­h hatte das Burgenland seine Unterbring­ungsquote für Asylwerber laut den Berechnung­en des Innenminis­teriums zu 88,32 Prozent erfüllt – Wien zu 119,59 Prozent.

Auch Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl konnte Niessls Aufruf nichts abgewinnen: „Wenn man einen Kurswechse­l verlangt, muss man auch einen neuen Kurs angeben.“Häupl setzte nach: „Zurufe, die relativ inhaltslee­r sind, helfen uns nicht weiter – jeder einzelne Unterbring­ungsplatz schon.“(go, ook, stui)

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Im Dusika-Stadion in Wien versuchen sich Flüchtling­e mit Decken und Planen ein wenig Privatsphä­re in der Halle zu schaffen. Sie leben zurzeit hier. Die Politik streitet derweil nach wie vor, wer wie viele Asylwerber unterbring­en soll – und wie viele...

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