Freud und Leid des „Büros in der Hosentasche“
An der Ferdinand-Porsche-FernFH Wien wird in Sachen virtuelles Arbeiten und Lernen geforscht
Wien – Früher nannte man es Teleworking. Die Etablierung von Computern als Arbeitsgeräte erlaubte es, das traute Heim zum Homeoffice zu machen. Das erstrebte Ziel: weniger Stress, mehr Lebensqualität. Dann wurden die Computer kleiner und begleiteten als Smartphones ihre Benutzer überall hin. Arbeit kann man nun an jedem Ort und zu jeder Zeit erledigen. Diese zunehmende Virtualisierung hat weitreichende Konsequenzen, für die sich auch die Wissenschaft interessiert.
Für Herbert Schwarzenberger, Studiengangsleiter Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie an der Ferdinand-PorscheFernFH in Wien, bedeutet Virtualisierung eine „räumliche, zeitliche oder prozessuale Veränderung von Arbeitsbedingungen aufgrund technischer Entwicklung“. Im Rahmen des Schwerpunkts „Virtuelles Arbeiten und Lernen“erforscht er mit seinen Kollegen die Implikationen neuer Technologien für Individuen, Organisationen und den gesamten Markt.
Das ursprüngliche Bild der Technologie als Mittel zur Stressverringerung verblasst, dies zeigen die Studien aus dem noch jungen Forschungsgebiet. „Homeoffice wurde in Studien zu Beginn der 2000er-Jahre als Gewinn an Flexibilität, an persönlicher Autonomie wahrgenommen“, sagt der studierte Psychologe. „Interessanterweise findet sich dieser positive Effekt der Virtualisierung immer seltener. Heute wirkt das Büro in der Hosentasche für viele belastend und bedrohlich.“
Jene, die sich stark mit ihrem Job identifizieren, sehen das symbiotische Verhältnis mit der Technik tendenziell positiv. „Wir haben in einer Studie gesehen, dass Unternehmer die Möglichkeit der computervermittelten Kommunikation, die sie nicht mehr an einen Ort bindet, als Erleichterung erleben.“Gerade bei den Jungen sei das ausgeprägt. „Das sind Personen, die viel Autonomie und Freiheit haben wollen, aber auch bereit sind, durch die Bindung an die Technik viel Autonomie und Frei- heit herzugeben. Für sie ist es irrelevant, ob sie sich auf Facebook oder im Café treffen.“
Wer Familie und Arbeit vereinen muss, stößt allerdings bald auf einen Work-Life-Conflict. Arbeitgeber können beitragen, diesen zu vermeiden. „Im Grunde ist sich die Forschung einig, dass Maßnahmen, die eine SMS- oder E-Mail-Flut von Arbeitnehmern in deren Freizeit fernhält, zielführend sind“, so Schwarzenberger. Zudem könne es helfen, Privates in der Arbeit erledigen zu dürfen.
Mütter hätten es bei der Harmonisierung von Beruf und Familie besonders schwer. „Sie sind fast genötigt, berufsbezogene Tätigkeiten in ihrer Freizeit durchzuführen. Hier braucht es eine grö- ßere Freiheit, weil sonst einfach die Basis für eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht da ist.“
Personen mit gutem Selbstmanagement sind in der Welt des virtuellen Arbeitens und Lernens bevorzugt, das kann der Psychologe auch an den Studierenden der FernFH ablesen. „Wir bieten Rahmenbedingungen, um sich unter Betreuung von Experten selbstgesteuert Kompetenzen anzueignen, und sehen durchaus, wie schwierig das für manche ist.“Dass ein Teil der Studierenden Frontalunterricht lieber hätte als Interaktion, kommt für Schwarzenberger nicht von ungefähr: „Die Frage ist, ob unser Schulsystem Selbstmanagement effizient vermittelt. Ich wage das zu bezweifeln.“(pum)