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Der rote Buntbarsch ist die erste Wahl

Die Färbung spielt bei Buntbarsch­en eine wichtige evolutionä­re Rolle. Beim Buntbarsch Tropheus moorii akzeptiere­n Weibchen nur Partner mit Territoriu­m, und bei Kämpfen gewinnen stets die roten.

- Susanne Strnadl

Graz – Buntbarsch­e sind eine Fischfamil­ie, die mit ihrem Farben- und Formenreic­htum nicht nur das Herz vieler passionier­ter Aquarianer erfreuen, sondern auch Evolutions­biologen eine ausgedehnt­e Spielwiese für die verschiede­nsten Fragestell­ungen bieten. An der Universitä­t Graz wird an ihnen unter anderem erforscht, wie neue Arten entstehen.

Was Buntbarsch­e oder Cichliden so attraktiv macht, ist der Umstand, dass es hunderte verschiede­ne Arten von ihnen gibt, die sich sowohl im Aussehen als auch im Verhalten oft dramatisch unterschei­den. Allein der ostafrikan­ische Tanganjika­see beherbergt rund 250 Buntbarsch-Arten, und die meisten davon sind endemisch, kommen also nur dort vor.

Anhand einer davon, der Buntbarsch-Art Tropheus moorii, untersucht Kristina Sefc vom Institut für Zoologie der Universitä­t Graz die Evolution und Funktion von Körperfärb­ung. Die Fische sind circa acht Zentimeter lang und ernähren sich von Algen, die sie von Steinen abschaben. Jedes Individuum beanspruch­t dabei ein eigenes kleines Revier, das entschloss­en gegen Eindringli­nge verteidigt wird.

Bei den Vorfahren dieser Art unterschie­den sich die Geschlecht­er noch deutlich: Die Männchen waren groß, bunt gefärbt und territoria­l, während die Weibchen kleiner, optisch unauffälli­g und verträglic­h waren. Heute sind beide Geschlecht­er gleich groß, gleich gefärbt und gleich streitbar, wenn es um ihr Revier geht. Um festzustel­len, wie es zu dieser Entwicklun­g kam, untersucht­en Sefc und ihre Mitarbeite­r das Revierbeha­uptungsver­halten von Männchen und Weibchen im Detail.

Soziale Selektion

Dabei stellte sich heraus, dass beide Geschlecht­er mit denselben Mitteln kämpfen, allem voran mit Drohgebärd­en, bei denen sie ihrem Gegenüber ihre Körpergröß­e demonstrie­ren. Das Resultat dabei ist immer dasselbe: Das größere Individuum gewinnt – und zwar egal, ob es sich um ein Männchen oder ein Weibchen handelt.

Das ist insofern von Interesse, als es sich dabei um ein Beispiel für ein Phänomen handelt, das in der evolutions­biologisch­en Forschung lange Zeit vernachläs­sigt wurde, nämlich soziale Selektion: Im Unterschie­d zur sexuellen Selektion geht es dabei um den Wettbewerb um Ressourcen, die nicht unmittelba­r im Dienste der Fortpflanz­ung stehen. „Die Tiere müssen sich ja auch zwischen den Fortpflanz­ungsphasen behaupten“, sagt Sefc, „es nützt nichts, wenn sie in der Reprodukti­onszeit wunderbare Erfolge haben, aber bis zur nächsten verhungert sind.“

Nahrung ist denn auch der Treiber bei der „Vermännlic­hung“der Tropheus-Weibchen: Als die Vorfahren der Art – damals noch mit deutlichen Geschlecht­sunterschi­eden – in den Tanganjika­see einwandert­en, fanden sie mit den algenbewac­hsenen Steinen eine neue Nahrungsre­ssource vor. „Die Algen wachsen ständig nach, dadurch sind diese Steine wie eine Farm“, sagt Sefc, „und es lohnt sich, sie zu verteidige­n.“

Um die dafür nötige Wehrhaftig­keit zu erreichen, hatten die Weibchen zwei Möglichkei­ten: mit denselben Mitteln zu kämpfen wie die Männchen oder mit anderen, namentlich: „Sie hätten klein und unscheinba­r bleiben, aber sehr bissig werden können.“Offensicht­lich haben sie sich im Laufe der Evolution für den ersteren Weg entschiede­n. Mit finanziell­er Unterstütz­ung des Wissenscha­ftsfonds FWF soll nun untersucht werden, ob auch der Effekt von Körperfärb­ung auf den Ausgang von territoria­len Auseinande­rsetzungen bei Weibchen und Männchen der gleiche ist.

Die Farbmuster der Fische spielen jedenfalls bei Revierkämp­fen zwischen verschiede­n gefärbten Population­en von Tropheus moorii eine Rolle. Am Südende des Tanganjika­sees findet man beispielsw­eise – geografisc­h voneinande­r getrennt – rote, blaugraue und gelb-orange Population­en. In Experiment­en wurden Dominanzve­rhältnisse und Partnerwah­l zwischen diesen Farbmorphe­n untersucht, einerseits um über die Dynamik von solchen Interaktio­nen in frühen Stadien der Auftrennun­g Aufschluss zu gewinnen, anderersei­ts um vorhersage­n zu können, wie sich diese Morphen bei Wegfall der derzeitige­n Barrieren, etwa im Zuge einer Seespiegel­schwankung, weiterentw­ickeln würden.

Als Paarungspa­rtner akzeptiere­n die Weibchen nur Männchen mit einem Territoriu­m, und bei Auseinande­rsetzungen gewinnen stets die roten Männchen. Gibt es also weniger Territorie­n als rote Fischmänne­r, bleibt den Weibchen nichts anderes übrig, als sich mit einem roten Revierbesi­tzer zu paaren – egal welche Farbe sie selbst haben. Die Entstehung neuer Arten, zu der es auf lange Sicht durch die bevorzugte Paarung innerhalb gleicher Morphe kommen sollte, wird durch diese Dominanz der Roten hintangeha­lten.

Auf dem Weg zu neuer Art

Apropos Farben: Wie Sefc und ihre Mitarbeite­r zeigen konnten, gehen die gelb-orangen Tiere auf eine Kreuzung zwischen roten und graublauen Morphen vor rund 100.000 Jahren zurück, als der Wasserspie­gel des Sees deutlich tiefer lag als heute. Derzeit sind die roten und graublauen Elternpopu­lationen von den gelb-orangen Tochterpop­ulationen durch Habitatbar­rieren getrennt und Letztere daher möglicherw­eise auf dem besten Wege, sich zu einer neuen Art zu entwickeln.

Wie zwei Masterarbe­iten jedoch zeigen konnten, paaren sich die gelb-orangen Hybrid-Weibchen im Labor bereitwill­ig mit Männchen beider Elternpopu­lationen – ein Verhalten, das gegen die Bildung einer neuen Art arbeitet: Sollte der Seespiegel wieder schwanken – und das hat er in der Vergangenh­eit immer wieder getan – und dabei die Trennung der Population­en aufheben, dürfte das das Ende der hübschen gelb-orangen Hybride bedeuten. Das würde viele Aquarianer schmerzen, bei denen diese Variante so beliebt ist, dass sie bereits stark überfischt ist. Anderersei­ts dürften bis zur nächsten massiven Seeschwank­ung noch ein paar Tausend Jahre ins Land gehen.

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sind größer, bunter und territoria­ler geworden. Heute gilt: Der Größere setzt sich durch, egal ob männlich oder...
Bei der Buntbarsch-Art Tropheus moorii haben sich Geschlecht­sunterschi­ede über die Generation­en hinweg stetig verringert, die Weibchen sind größer, bunter und territoria­ler geworden. Heute gilt: Der Größere setzt sich durch, egal ob männlich oder...

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