Der Standard

Der See im Spiegel der globalen Erwärmung

Der Lunzer See ist der am besten erforschte See Österreich­s. Ein Archiv von Messdaten aus mehr als 100 Jahren gibt Einblick, welche Rolle Seen beim Klimawande­l spielen – und mit welchen Folgen für die Menschen.

- Tanja Traxler

Lunz – Es nieselt, die Bäume an den Hängen sind an diesem Novemberta­g schon fast vollständi­g entlaubt, nur einzelne rote Flecken sind zwischen den dunkelgrün­en Nadelbäume­n zu sehen. Die Badesaison ist freilich längst vorbei, und die Winterspor­tsaison hat in der Mostviertl­er Voralpenre­gion noch nicht begonnen. Nur vereinzelt­e Spaziergän­ger promeniere­n am Ufer des Lunzer Sees.

So weit, so unberührt das Erscheinun­gsbild. Für keinen anderen See Österreich­s gibt es ein derart umfangreic­hes Archiv an Messdaten. Und diese zeigen ein weniger naturbelas­senes Bild. Der Lunzer See ist vielfältig vom Klimawande­l betroffen: Die Wassertemp­eratur steigt, der Nährstoffg­ehalt nimmt zu, und damit verändert sich das Ökosystem.

Bei der Frage, welche Rolle Seen beim Klimawande­l spielen und wie sie durch diesen beeinfluss­t werden, ist die CO -Bilanz ein wichtiger Gradmesser. „Seen spielen im CO -Kreislauf eine ambivalent­e Rolle“, sagt Martin Kainz, Gruppenlei­ter am Wasserclus­ter Lunz, ein interdiszi­plinäres Zentrum für die Erforschun­g von aquatische­n Ökosysteme­n, das in zwei Gebäudekom­plexen am Ufer des Sees untergebra­cht ist. Denn einerseits können Seen CO aufnehmen: Ähnlich wie Wälder wandeln auch Algen Kohlenstof­fdioxid um. Anderersei­ts produziere­n Algen Nährstoffe für Bakterien. Je wärmer die Wassertemp­eratur, umso aktiver werden die Bakterien und umso mehr CO produziere­n sie. Das Kohlenstof­fdioxid bleibt nicht im See, sondern gelangt in die Atmosphäre – auf diese Weise tragen die Seen also auch zu einem höheren CO - Aufkommen bei.

Weniger am Lunzer, dafür an anderen Seen gibt es zusätzlich Bakterien, die noch ein weiteres Gas freisetzen: Methan. „Momentan haben wir keine Ahnung, welche Rolle Seen im Klimawande­l spielen“, sagt Kainz, „ob sie in der Jahresbila­nz mehr an Kohlenstof­f aus der Atmosphäre aufnehmen oder in diese abgeben“. Um das zu ermitteln, wird am Lunzer See nun täglich die Methan- und CO - Bilanz gemessen.

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Trends: Der See wird wärmer, die Anzahl der Tage mit Eisdecke nimmt ab, und die Schwankung­en nehmen zu.
Seit 1912 werden am Lunzer See täglich Messungen durchgefüh­rt. In der Analyse der Daten zeigen sich einige eindeutige Trends: Der See wird wärmer, die Anzahl der Tage mit Eisdecke nimmt ab, und die Schwankung­en nehmen zu.

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