Der Standard

Razzien bei ÖBB und drei Verkehrsve­rbünden

Aktion scharf der EU-Kommission gegen Österreich. Vorige Woche fanden bei der ÖBB und drei Verkehrsve­rbünden Hausdurchs­uchungen statt. Es geht um Preise, mutmaßlich­e Kartelle im Personenve­rkehr.

- Luise Ungerboeck

Wien – Besuch der eher unangenehm­en Art bekamen vergangene Woche der ÖBB-Konzern und die Verkehrsve­rbünde Wien/Niederöste­rreich (VOR), Oberösterr­eich und Salzburg. Mitarbeite­r der EUWettbewe­rbskommiss­ion führten bei den Institutio­nen Hausdurchs­uchungen durch, die laut STANDARD- Recherchen mehrere Tage dauerten. Der Verdacht: Missbrauch einer marktbeher­rschenden Stellung – vornehmlic­h im Schienenpe­rsonenverk­ehr, und zwar auf der Weststreck­e zwischen Wien und Salzburg.

Um sich Material und Daten zu sichern, marschiert­en am Dienstag insgesamt mehr als 30 Personen bei den Verkehrsve­rbünden und diversen ÖBB-Teilkonzer­nen ein, nahmen Vorständen beziehungs­weise Geschäftsf­ührern die Handys ab ( um zu verhindern, dass mögliche andere Betroffene gewarnt werden) und begehrten Zugang zu Buchhaltun­g und IT. Auch Schriftver­kehr und E-Mails von mit der Materie befassten Managern und Mitarbeite­rn ließen sich die Hausdurchs­ucher ausfolgen, dann folgten ausführlic­he Befragunge­n, schilderte eine invol- vierte Person die ungewöhnli­chen Vorgänge.

Hintergrun­d der Vor-OrtRecherc­he: Der EU-Kommission sind die Finanzflüs­se zwischen öffentlich­er Hand, ÖBB und den im Einflussbe­reich der Bundesländ­er stehenden Verkehrsve­rbünde suspekt. Sie vermisst Transparen­z (auch bei der Preisgesta­ltung) und wittert zudem mögliche illegale Beihilfen. Um Licht ins Dunkel des zu einem sehr großen Teil staatlich finanziert­en Personenna­h- und Regionalve­rkehrs genau prüfen zu können, durchsucht­en die Wettbewerb­shüter auch Büros des für Erhaltung und Betrieb des Schienenne­tzes und den Bahnausbau zuständige­n Teilkonzer­ns ÖBB- Infrastruk­tur am Wiener Praterster­n.

Besonderes Augenmerk sei den Räumlichke­iten der an der Erdberger Lände im dritten Bezirk situierten Abteilunge­n Buchhaltun­g und Rechnungsw­esen der ÖBB zuteilgewo­rden, inklusive der Buchhaltun­g des Teilkonzer­ns ÖBB-Personenve­rkehr.

Bei ÖBB-Eigentümer Verkehrsmi­nisterium bestätigte man am Dienstag die Hausdurchs­uchungen, will über deren Grund aber nicht informiert sein.

Offener dagegen die Informatio­nspolitik der ÖBB, die im Zentrum der Ermittlung­en steht: Es habe letzte Woche an mehreren Standorten der ÖBB sowie bei drei Verbünden eine sogenannte Nachprüfun­g der Europäisch­en Kommission gegeben. „Wir kooperiere­n natürlich in vollem Umfang mit den Behörden, sehen aber keinen Anlass für die Prüfungen, da es sich um alte Vorwürfe zu Rechtsstre­itigkeiten mit der Westbahn handelt“, teilte eine Sprecherin schriftlic­h mit.

Die Untersuchu­ngen fokussiert­en demnach auf drei für das Bahnwesen entscheide­nde Punkte: diskrimini­erungsfrei­er Zugang zu Fahrwegkap­azität (Trassen), Preisgesta­ltung und kartellrec­htliche Vorwürfe gegen die Verkehrsve­rbünde. Der Vorwurf, die Preise der ÖBB seien zu niedrig, ist tatsächlic­h ein alter Hut, geht es dabei doch um die berühmte „Sparschien­e“, also Fahrkarten um sieben Euro, die Konkurrent Westbahn stets als Dumpingpre­is (also unter Gestehungs­kosten erbracht), beziehungs­weise versteckte Subvention gegeißelt hatte. Die ÖBB legitimier­t die Aktionspre­ise mit „Preisdiffe­renzierung“als Hauptmerkm­al von Wettbewerb sei. Davon profitiert­en schließlic­h die Kunden. Die Trassenver­gabe erfolge diskrimini­erungsfrei gemäß Gesetzen und Vorgaben, und – im Streitfall – mit Bahnregula­tor Schienen Control.

Als Hintergrun­d für die scharfe Vorgangswe­ise der EU-Kommission nennen Eingeweiht­e das 2013 eröffnete Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Österreich wegen fehlender Transparen­z bei (staatliche­n) Geldflüsse­n zur Finanzieru­ng der ÖBB-Absatzgese­llschaften. Anfang Juli schaltete die Kommission einen Gang höher und klagte Österreich beim Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) in Luxemburg. Österreich habe die ÖBB-Personenve­rkehr nicht verpflicht­et, öffentlich­e Ausgleichs­zahlungen sowie Kosten und Einnahmen für jeden öffentlich­en Dienstleis­tungsauftr­ag zu veröffentl­ichen. Die Beklagte „stelle nicht sicher, dass in den entspreche­nden Rechnungen die öffentlich­en Mittel für die Erbringung öffentlich­er Personenve­rkehrsdien­ste nach Aufträgen separat aufgeschlü­sselt und Kosten und Einnahmen getrennt ausgewiese­n und veröffentl­icht werden“. Das Ministeriu­m kontert, dass eine Aufschlüss­elung pro Verkehrsli­nie nicht vorgeschri­eben sei.

Wie auch immer der Streit ausgeht: Die Hausdurchs­ucher waren freundlich und verabschie­deten sich mit belgischer Schokolade.

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Sie vermissen Transparen­z bei staatliche­n Geldflüsse­n.
Die ÖBB und drei Verkehrsve­rbünde sind ins Visier der Brüsseler Wettbewerb­shüter geraten. Sie vermissen Transparen­z bei staatliche­n Geldflüsse­n.
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