Kunst kommt von kämpfen
„Brennende Fragen“nennt sich eine Ausstellungsreihe im Wiener Künstlerhaus, die sich mit der oft prekären Situation von Kulturschaffenden auseinandersetzt. So spannend wie das Thema sind viele der gezeigten Arbeiten leider nicht.
Wien – Im Künstlerhaus gibt es jetzt ein Labyrinth, gebaut aus schwarz bemaltem Holz. Im abgedunkelten Raum führt es um eine Handvoll Ecken, und weil ein Labyrinth kein Irrgarten ist, kann man sich nicht verlaufen. Also steht man schon bald tief drinnen. Wer sich nun an die Gebrauchsanleitung der Installation hält, dem dämmert dort im Dunkeln in etwa das Folgende: Künstler haben es schwer.
Das -labyrinth (2015) ist nämlich ein Versuch, ein Gefühl für das Prekariat Kulturschaffender zu geben. Insbesondere das Verlorensein im Förderdschungel wollen Christiane Spatt, Karin Maria Pfeifer und Sula Zimmerberger vermitteln. Hier werde „Ausweglosigkeit im ganzen Wortsinn“erlebbar, verrät der Wandtext. Das erhöhe die „Chancen auf echte Awareness“. Und man kommt nicht umhin zu sagen, dass das Trio wohl einen Volltreffer gelandet hat. Lediglich anders als gedacht: Im dunklen Labyrinth stellt sich „echte Awareness“vor allem für jene Förderjurys ein, die sich angesichts derartig plumper Konzepte zieren, die begehrten Mittel rauszurücken.
Zu begehen ist -labyrinth aktuell im Künstlerhaus. Über: Macht nennt sich die Mitgliederausstellung hinsichtlich „Ohnmacht und (Selbst-)Ermächtigung“, die nach Über: Angebot und Über: Ich der dritte und letzte Teil der Reihe
ist. Darin widmet man sich den Arbeits- und Lebenswelten von Künstlern, der Unsicherheit in Zeiten von IchAGs, immateriellem Kapitalismus und der Frage, was denn Kunst überhaupt sei und solle. Allein: So spannend und relevant wie das Thema sind viele der gezeigten Arbeiten leider nicht.
Hat man das Labyrinth verlassen, warten etwa Pfeifers Verstrickungen (2015): verknäulte Objekte aus PVC-Dichtungen, die den Vernetzungszwang im Kunstbetrieb symbolisieren, der im kreativen Schaffensprozess oft eher hinderlich ist – ein weiterer unglücklicher Versuch, komplexe Zusammenhänge per Objekt abzubilden. Die Knäuel könnten demnächst auch für weiß Gott welche Verstrickungen stehen.
Brötchenverdienst Aktmodell
Dass Künstler, um ihre Brötchen zu verdienen, bisweilen auch für andere Künstler Modell stehen müssen, ist im Wesentlichen die Botschaft von Sula Zimmerbergers Fotoserie Saal 05. Außer dass man die im Aktzeichensaal posierende Künstlerin nun von vielen Seiten – und in einer sargähnlichen Holzkiste liegend! – betrachten konnte, bietet die Arbeit wenig Perspektiven an.
Aufschlussreicheres über die gegenwärtige Situation des Künstlers hält Alfredo Barsuglias Ensemble Ohne Titel (2015) bereit. Neben seine Zeichnungen steht in Kreidebuchstaben „Alfredo du Oarsch!“. Sabotage eines bösartigen Kollegen? „Nein, das gehört so“, sagt Barsuglia. „Wenn ich nichts hinschreibe, spricht mich ja niemand mehr auf die Arbeiten an. Nach dieser Beleidigung fragt mich allerdings jeder.“Tja, erwischt. Barsuglias Pflanzenzeichnungen thematisieren übrigens die Frage nach der Sinnhaftigkeit, mittels Kunst die Realität abbilden zu wollen.
Humor zeigt auch Ina Loitzl. Kunst kommt von kämpfen, so ließe sich die Message ihrer Installation Kunstboxen zusammenfassen: Die Künstlerin zieht Parallelen zwischen Kampfsport und Künstlerdasein. „Der Schmerz ist temporär, die Ehre für immer“– überträgt sie ein einschlägiges Motivationsmantra in die Kunstwelt. An der Wand hängen Auszeichnungen, die keine sind: „Special Mention Award“oder „Finalist“steht da auf Siegerkränzen. Oder „Publikumspreis“. Ein Accessoire wie der Zahnschutz mag einstweilen dafür stehen, dass Abgesichertheit mitunter auch das Zubeißen erschwert.
Machtverhältnisse jenseits des Kunstbetriebs nimmt for Egyptian Girls in den Blick: Karin Hannak und Ilse Hirschmann sammeln für ihre Installation von jedem, der sich beteiligen möchte, Haarlocken. Diese werden zusammen mit einem kleinen Steckbrief auf einem roten Netz drapiert, das für Vernetzung steht. Inspiriert ist die Aktion von jener Frau, die sich zum Zeichen der Solidarität unter Frauen während des Arabischen Frühlings eine Haarlocke abschnitt. Jetzt wollen Hannak und Hirschmann diese Geste globalisieren. Ob dieser Aktivismus tatsächlich etwas im Kunstkontext verloren hat, ist fraglich. Jedenfalls ist er entwaffnend gut gemeint. Bis 7. 2.