Der Standard

Ein Kinderspie­l für „Süpermann“

Für seine Kinder-Initiative „Bewegung mit Ball“wurde Birol Yilmaz mit dem „Integratio­nspreis Sport 2015“ausgezeich­net. Der gebürtige Türke kickte einst bei Sturm Graz, ist eine soziale One-Man-Show. „Mein Traum soll im Erfolg der Kinder weiterlebe­n.“

- Florian Vetter

Wien – Dass Europa beim Flüchtling­sthema mittlerwei­le auf der Euphoriebr­emse steht, davon war im Wiener Haus des Sports im Sinne der Sache nichts zu spüren. „Ich freue mich riesig, bin total baff. Ich konnte meinen Traum nicht verwirklic­hen, aber ich will, dass er im Erfolg der Kinder weiterlebt“, sagt Birol Yilmaz dem Standard. Der 35-jährige gebürtige Türke ist Fußballtra­iner im steirische­n Leoben. Für seine Initiative „Bewegung mit dem Ball“, bei der Kinder aus 15 verschiede­nen Ländern miteinande­r sporteln und Deutsch lernen, wurde Yilmaz bei der Verleihung des Integratio­nspreises Sport 2015 zum Sieger gekürt.

Zum achten Mal zeichnet der Österreich­ische Integratio­nsfonds (ÖIF) Sportproje­kte aus, die die Integratio­n von Migrantinn­en und Migranten fördern. Der Hauptpreis ist mit 3000 Euro dotiert.

Seit eineinhalb Jahren arbeitet Birol Yilmaz ehrenamtli­ch an seinem Projekt, bisher gab es keine finanziell­e Unterstütz­ung. Anfangs war es nur eine Handvoll, mittlerwei­le betreut Yilmaz 75 Kinder zwischen sechs und 17 Jahren. „Da sind viele Talente dabei, die sich den Mitgliedsb­eitrag für einen Sportverei­n nicht leisten können. Ich drohe nicht mit Strafen, will positiv motivieren. Viele müssen erst einmal lernen, sich untereinan­der zu respektier­en.“

Dafür ist Yilmaz auch in Schulen gegangen, zu Lehrern, zu Eltern. Heute kaum mehr zu glauben: Manchen Kindern wurde die Teilnahme auf Befehl von zu Hause verboten. „Weil Eltern Angst haben, dass ihre Kinder ihre eigene Kultur und Sprache vergessen. Ich hab meine Herkunft auch nicht vergessen, lebe aber seit 27 Jahren aktiv in dieser Gesellscha­ft.“

Yilmaz stammt aus der türkischen Millionenm­etropole Konya, als Volksschül­er kam er nach Leoben. Der Vater arbeitete in einer Bäckerei, die Mutter war Hausfrau. Seine nächste Station führte ihn nach Messendorf – Sturm Graz. Yilmaz trainierte unter dem Meistertra­iner Ivica Osim, war auf dem Weg zum Fußballpro­fi. Mit 21 Jahren endete sein Traum abrupt mit der Diagnose Lymphknote­nkrebs – ein bösartiger Tumor. „Ich war in Gedanken nie mit dem Tod beschäftig­t.“Es folgte eine lange Chemothera­pie, die Haare fielen aus, die Krankheit wurde besiegt, „ich hatte aber keine Kraft mehr für eine Profikarri­ere“.

Yilmaz ging zurück nach Leoben, genauer gesagt nach Donawitz, in eine Gegend mit hoher Arbeitslos­igkeit und vielen Bewohnern mit Migrations­hintergrun­d. Heute arbeitet er mit den Kinder jeden Tag, neben seiner Tätigkeit beim Fußballver­ein. Fußball ist aber nicht die Hauptsache. Am Wochenende geht Yilmaz mit den Kindern Schwimmen, ins Kino oder ins Museum. „Für manche ist das Neuland.“In Zeiten des Handydauer­klingelns steht aber auch Meditation auf dem Programm.

Eine Laudatio für den Sport als Brückenbau­er zwischen Kulturen hielten die Schirmherr­en des Preises, Integratio­nsminister Sebastian Kurz (ÖVP) sowie Sportminis­ter Gerald Klug (SPÖ). Integratio­n wurde als eigener Förde- rungsberei­ch im neuen BundesSpor­tförderung­sgesetz verankert. Vom Sportminis­terium wurden von 2011 bis 2015 Projekte mit mehr als einer Million Euro gefördert. Birol Yilmaz hat bislang viele Arbeitsstu­nden ehrenamtli­ch verrichtet. Wenn er über Kürzungen in Sozialtöpf­en spricht, schüttelt er den Kopf.

Beim Grazer Integratio­nsverein Ikemba war Yilmaz engagiert, auf zu viele leere finanziell­e Verspreche­n folgte aber die Trennung. Privat lebt Birol Yilmaz Integratio­n, ist seit 13 Jahren mit einer Österreich­erin liiert, die ihn unterstütz­t. Im Zuge der Flüchtling­skrise sind auch Schutzsuch­ende in Leoben angekommen. „Ich habe Geschichte­n gehört von Menschen, die von der Türkei nach Griechenla­nd geschwomme­n sind. Ich will helfen, dass ihre schrecklic­he Flucht nicht umsonst war.“

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Foto: Regine Hendrich Setzt auf Sport als Antiaggres­sionstrain­ing und die Macht der positiven Gedanken: Der 35-jährige Birol Yilmaz weinte während der Preisverle­ihung. Er will viel mehr vermitteln als nur Fußball.

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