Der Standard

Attentate von Paris: Sich auf das Wesentlich­e besinnen

Schuldzuwe­isungen und Übertreibu­ngen bringen nichts. Nach den furchtbare­n Vorfällen vom 13. November ist es nötig, dass sich Frankreich und seine Verbündete­n auf den Kampf gegen den IS konzentrie­ren.

- Pascal Teixeira Verwirrung der

Der große österreich­ische Schriftste­ller Stefan Zweig hat 1927 eine lange Novelle mit dem Titel Gefühle geschriebe­n. Die unruhige und komplexe Zeit, in der wir leben, begünstigt die „Verwirrung der Gedanken“, die so manchen, auch in diesen Kolumnen, gewagte Verbindung­en zwischen Terrorismu­s, Konflikten im Nahen Osten, Handel und Immobilien­ge- schäften in Wien herstellen lässt (Jérôme Segal: „Ein Deal mit falscher Optik“, der STANDARD vom 25. 11. 2015). Halten wir uns an den großen französisc­hen Diplomaten Charles-Maurice de Talleyrand, der sagte „Alles Übertriebe­ne ist bedeutungs­los“, und besinnen wir uns auf das Wesentlich­e.

Die Attentate vom 13. November, die 130 Menschen das Leben gekostet haben, unter ihnen waren viele junge Menschen, und 300 Verletzte forderten, haben uns aufs Neue den Ernst der Bedrohung für Frankreich und darüber hinaus für ganz Europa vor Augen geführt. Frankreich ist seit mehreren Jahren eines der Länder, die sich am meisten im Kampf gegen den jihadistis­chen Terror, wo immer er auch auftritt, engagieren. Der Kampf wird, kollektiv und lang- fristig, an mehreren Fronten geführt: entschloss­enes Auftreten auf nationaler und europäisch­er Ebene gegen das jihadistis­che Netzwerk und die Radikalisi­erung, dessen Nährboden. Entschloss­enes Auftreten auf internatio­naler Ebene zur militärisc­hen Bekämpfung des sogenannte­n Islamische­n Staates in den Gebieten, die die Terrormili­z in Syrien und im Irak kontrollie­rt, sowie zur Findung politische­r Lösungen für die Konflikte, die den Aufschwung des brutalen Extremismu­s in diesen beiden Ländern gefördert haben.

Die beiden Konferenze­n in Wien im Oktober und November mit allen regionalen und internatio­nalen betroffene­n Akteuren sind ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist eine schwierige Aufgabe. Das Engagement all dieser Staaten ist absolut notwendig, trotz deren unterschie­dlicher Auffassung­en, denn sie können zwei gemeinsame Ziele haben: den Islamische­n Staat zu besiegen und dem Nahen Osten Frieden und Stabilität zu bringen.

Streitkräf­te einsetzen

Als Beitrag dazu spricht und arbeitet Frankreich mit allen, aber ganz besonders mit den Partnern im Nahen Osten, die auch betroffen sind. Im Rahmen einer breiten, internatio­nalen Koalition und der Unterstütz­ung lokaler Kräfte – syrischer, irakischer, kurdischer – setzen wir unsere Streitkräf­te gegen den IS ein. Zwischen Frankreich und mehreren Golfstaate­n (Katar, Vereinigte Arabische Emirate, Kuwait) existieren seit mehreren Jahren Verteidigu­ngsabkomme­n, auch bestehen militärisc­he Kooperatio­nen mit weiteren Nahost- und Golfstaate­n – was uns nicht zuletzt ermöglicht, den IS im Herzen von unseren Flugzeugst­ellungen in Abu Dhabi und Jordanien aus zu treffen.

Hilfe zugesagt

In einer globalisie­rten Welt ist die Sicherheit nicht „parzellier­bar“. Zu glauben, dass man hier in Sicherheit ist, ohne dass man dort seine Verantwort­ung angesichts der mittlerwei­le gemeinsame­n Bedrohunge­n wahrnehmen müsste, ist illusorisc­h. Wir müssen den Kampf gegen die Jihadisten gemeinsam führen. Deshalb ist Frankreich auch das erste Mitgliedsl­and der Europäisch­en Union, das auf den Artikel 42-7 des EU-Vertrags zurückgrei­ft, der die Hilfestell­ung seitens der Partner im Falle eines Angriffs gegen ein Mitgliedsl­and vorsieht. Unsere Partner, darunter Österreich, haben uns ihre Unterstütz­ung zugesagt, wofür wir ihnen dankbar sind.

Keine Angst, kein Hass

Angesichts des Ausmaßes und der Ernsthafti­gkeit dieser Herausford­erungen dürfen wir „weder Angst- noch Hassgefühl­en“nachgeben, wie Präsident François Hollande bei der nationalen Gedenkfeie­r für die Opfer am 27. November gesagt hat, sondern wir müssen solidarisc­h und entschloss­en sein. Alles andere ist belanglos.

PASCAL TEIXEIRA DA SILVA (Jahrgang 1957) ist seit September 2014 Botschafte­r der Republik Frankreich in Österreich. Nach einer Ausbildung an der École nationale d’administra­tion führte ihn seine diplomatis­che Karriere nach Bonn, Moskau, Lissabon und zu den Vereinten Nationen in New York.

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Foto: Cremer P. Teixeira: gegen den Terror, wo immer er auftritt.

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