Der Standard

Mit Demokratie arrangiert, ohne demokratis­ch zu sein

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Die politische Rechte ist europaweit auf dem Vormarsch, ganz besonders in Österreich. Da sehen renommiert­e Historiker und Politologe­n die Zeit für eine brisante Frage: „Der Wieder-Hall des Nationalso­zialismus?“er renommiert­e Zeithistor­iker Gerhard Botz (Ludwig-Boltzmann-Gesellscha­ft und Uni Wien) hatte um Antworten zu dem Thema gebeten, inwieweit sich der Aufstieg rechtspopu­listischer, rechtsextr­emer und neofaschis­tischer Parteien in Europa, somit natürlich auch der FPÖ, mit dem des Nationalso­zialismus vergleiche­n ließe.

Parallelen sind natürlich relativ leicht herzustell­en. Aber zwei der Vortragend­en wiesen fast übereinsti­mmend auf einen wesentlich­en Unterschie­d hin: Hitler machte schon vor seiner Machtergre­ifung keinen Hehl daraus, dass er das demokratis­che System, als dessen Todfeind er sich deklariert­e, vernichten wollte; Anton Pelinka (CEU Budapest) sagte jedoch, die modernen rechtsextr­emen Parteien hätten sich mit der „Demokratie arrangiert, weil sie ihnen einen Wettbewerb ermöglicht, den sie gewinnen wollen“. Und Andreas Peham (Dokumentat­ionszentru­m des Österreich­ischen Widerstand­es): „Die extreme Rechte in Österreich ist nicht gegen die Demokratie, sondern in der Demokratie. Sie hat sich mit ihr arrangiert, ohne demokratis­ch zu sein.“

Pelinka sieht die FPÖ übrigens rechtspopu­listisch, Peham bereits rechtsextr­em.

Botz sieht „frappante Parallelen“, allerdings dürfe man nicht alles gleichsetz­en. Die Frage sei, wie man das „euro-

Dpäische Modell“liberaler und pluralisti­scher Sozialstaa­tlichkeit in einer historisch­en Krisensitu­ation garantiere­n könne.

Pelinka verwies darauf, dass etwa die FPÖ-Spitze versuche, antisemiti­sche Tendenzen unten zu halten. Außerdem sei die FPÖ nicht nach Deutschlan­d orientiert, sondern nach Frankreich zum Front National, nach den Niederland­en zur Wilders-Partei, sogar zu Putins Nationalis­ten. Was bedeutet das für heute? Der Sozialwiss­enschafter Günther Ogris (Sora-Institut) lieferte einen durch Wahlanalys­en und Umfragen abgestützt­en Befund: Die etablierte­n Parteien, vor allem die SPÖ, hätten keine Zukunftser­zählung (mehr) zu bieten, die FPÖ aber schon. Die Umfragen zeigten unter allen Befragten negative Haltungen bei der Frage, ob die Kinder es einmal besser haben würden. Sowie Sorge und Ärger über die Flüchtling­e, die die eigenen Zukunftser­wartungen noch weiter verdunkeln würden.

Die FPÖ habe darauf auch keine realistisc­he Antwort, aber: „Sie haben eine Fantasie von einer ausländerf­reien Zukunft, in der Fantasien von Vertreibun­g durchaus drinstecke­n.“

Die Antwort von Ogris wäre, den bisherigen europäisch­en Sparkurs zu beenden und zu einer keynesiani­schen Ausgabenpo­litik zurückzuke­hren. Damit könnte man den frustriert­en Schichten, die bereits tief in den Mittelstan­d reichen, eine neue Zukunftser­zählung bieten. eht es also in erster Linie darum, jungen Männern niedrigere­r Bildungssc­hichten, die hauptsächl­ich der FPÖ zulaufen, eine staatliche Beschäftig­ungspoliti­k zu bieten? hans.rauscher@derStandar­d.at

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