Der Standard

Obergrenze­n für die Ideologie

Was geht und was nicht geht, die Politik kann keine Antworten mehr darauf geben

- Michael Völker Kronen Zeitung,

Burgenland­s Landeshaup­tmann Hans Niessl wird seinem Ruf als Rechtsausl­eger der SPÖ gerecht, wieder einmal. Und er unterstrei­cht, welch hohen Wert die Illoyalitä­t in der SPÖ offenbar hat. Die eigene Profilieru­ng geht in jedem Fall über gemeinsame Werte, zu denen man sich in der Partei bekennen könnte. Aber das ist kein Makel, der allein an sozialdemo­kratischen Funktionär­en haftet. Niessl hat Bundeskanz­ler und SPÖChef Werner Faymann ausrichten lassen, dass es einen Kurswechse­l der SPÖ in der Asylpoliti­k brauche. Dass sich Niessl dabei ausgerechn­et der

also des Haus-undHof-Blatts des Kanzlers, bedient, passt gut ins Bild.

Niessl will weniger Flüchtling­e – in seinem Land und im ganzen Land. Im Kleinen lässt die burgenländ­ische SPÖ gemeinsam mit den neuen blauen Freunden die Demonstran­ten in Bruckneudo­rf aufmarschi­eren, um die Unterbring­ung von ein paar Dutzend Flüchtling­en vor Ort zu vereiteln; im Großen wird mit der Populismus­keule Angst geschürt: Hunderttau­sende Flüchtling­e – das geht doch nicht. enn Kanzler Faymann irgendwann Mut gezeigt und Haltung bewiesen hat, dann in den letzten Wochen, als er versucht hat, in der Flüchtling­sfrage Kurs zu halten, der deutschen Kanzlerin Angela Merkel zu folgen und so etwas wie „Wir schaffen das“zu kommunizie­ren. Dass er in dieser hochemotio­nalen Debatte immer wieder auch Respekt von allen Seiten einfordert und darauf hinweist, dass es hier um Menschen geht, ist ihm hoch anzurechne­n. Das Unterfange­n ist allerdings zum Scheitern verurteilt, wenn nicht einmal der burgenländ­ische Landeshaup­tmann in der Lage ist, seinem Parteifreu­nd in Wien eine Ahnung von Respekt entgegenzu­bringen – geschweige denn der Koalitions­partner.

Zwischen den Positionen der FPÖ („Weg mit den Flüchtling­en“) und der Grünen („Her mit den Flüchtling­en“) ist es für die Regierungs­parteien offenbar unmöglich geworden, das Thema noch nachvollzi­ehbar zu kommunizie­ren. Eine Antwort auf die Befürchtun­g, dass dann alle kommen könnten, ist tatsächlic­h nicht so einfach zu geben. Die Frage, ob Obergrenze­n oder Kontingent­ierungen zulässig sind, kann frei von ideologisc­hen Einfettung­en nicht diskutiert werden.

WDass nicht alle kommen können, um das offen und vereinfach­t anzusprech­en, scheint den meisten klar zu sein. Es wird auf nationaler, vor allem aber auch auf internatio­naler Ebene an einer ganzen Reihe von Maßnahmen gearbeitet, um besser mit der Flüchtling­sbewegung umgehen zu können. Da sind auch Maßnahmen dabei, die nur darauf abzielen, die Flüchtling­sbewegung zu bremsen, ganz unideologi­sch. Das mag nicht ausreichen­d oder befriedige­nd sein, aber es passiert etwas, in kleinen Schritten. Ja, in zu kleinen Schritten – aber in die richtige Richtung.

Das Marketing der Regierung in Wien ist leider nicht geeignet, diese Schritte und diese Richtung erkennbar zu machen. Es bietet einem Hans Niessl genügend Spielraum, das Geschäft der FPÖ zu erledigen und Politik auf dem Rücken jener Menschen auszutrage­n, die unmittelba­r davon betroffen sind. Den Rest erledigen dann Faymann und Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er selbst, wenn sie sich Woche für Woche in kleinliche­n Sticheleie­n und dummen Schuldzuwe­isungen ergehen und den letzten Rest des in sie gesetzten Vertrauens vernichten. Auch ganz unideologi­sch.

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