Der Standard

Warnung vor Le Pens patriotisc­hem Rückwärtsg­ang

Front-National-Chefin Marine Le Pen gibt vor, sie kämpfe für die kleinen Leute. Dem widersprec­hen allerdings Ökonomen: Ihr Wirtschaft­sprogramm träfe die schlechter Verdienend­en sogar am härtesten.

- Stefan Brändle aus Paris

ANALYSE: Marine Le Pen ist noch nicht im Élysée-Palast und wird es vielleicht auch nie sein: Meinungsum­fragen ergeben, dass 65 Prozent der Franzosen die Vorsitzend­e des Front National (FN) derzeit nicht für fähig halten, die Geschicke eines so großen Landes wie Frankreich zu leiten. Dass es ihr immerhin 35 Prozent der Franzosen hingegen zutrauen, ist das eigentlich Erstaunlic­he. Denn das Wirtschaft­sprogramm des Front National (FN) – das heißt sein politische­r Kern – hätte, wenn jemals in die Tat umgesetzt, verheerend­e Folgen für das Land, wie französisc­he Wirtschaft­sforscher warnen.

Das FN-Programm basiert auf dem Ausstieg Frankreich­s aus dem Euro, gefolgt von einer 20prozenti­gen Abwertung des wieder eingeführt­en Franc. Flankiert würde die Maßnahme durch die Teilversta­atlichung der Banken und Kapitalkon­trollen, um eine massive Kapitalflu­cht zu verhindern. Zugleich würde die Banque de France die Notenpress­e anwerfen und die Regierung mit zinslosem Geld versorgen.

Präsidenti­n Le Pen würde eine staatliche Industriep­olitik dekretiere­n. Gefördert würden Produk- te – und nur sie –, die den Stempel „made in France“tragen. Für die anderen gäbe es protektion­istische Zölle und Importquot­en. Aus der Welthandel­sorganisat­ion WTO würde Frankreich austreten, um sich dem „ultraliber­alen Freihandel“nicht beugen zu müssen.

Radikal wäre auch die Sozialpoli­tik. Sämtliche Monatseink­ommen unter 1500 Euro würden um 200 Euro aufgestock­t. Das Pensionsal­ter würde von 62 auf 60 gesenkt – bei höheren Bezügen. Der Staat übernähme sämtliche Kosten eins Kindes; er würde die Polizei und Armee aufstocken. Finanziert würde das Programm auch durch den Abbau von Sozialleis­tungen für Immigrante­n.

„Flugblatt der Kommuniste­n“

Zu behaupten, dass dieses Programm auf starke Kritik stößt, wäre eine Untertreib­ung. Der dem zentrumsde­mokratisch­en Lager nahestehen­de Ökonom Christian Sainte-Etienne spricht von einem „marxistisc­hen Peronismus“, Präsident François Hollande fühlte sich in einem unbedachte­n Moment unlängst an ein „Flugblatt der Kommunisti­schen Partei Frankreich­s von 1970“erinnert – womit er sich zwar nicht den Zorn Le Pens, sehr wohl aber jenen der Kommuniste­n zuzog.

Die Fondation Concorde kam zum Fazit, dass das FN-Programm 120 Milliarden Euro kosten und 2,5 Milliarden einsparen würde. Wie Le Pen also ihr Verspreche­n halten will, die Staatsschu­ld einzudämme­n, ist vor diesem Hintergrun­d schwer auszumalen.

Vor allem aber hätten der EuroAussti­eg und die Importschr­anken eine massive Verteuerun­g der Preise zur Folge, unter denen in erster Linie die Ärmeren leiden würden. „Die Kaufkraft der Franzosen sänke wegen der Inflation, der Preiserhöh­ung für Importgüte­r, der Plünderung der Kleinspare­r mit Lebensvers­icherungen und wegen der Erhöhung der Arbeitslos­enzahl“, schätzt die Stiftung, die nichts anderes als einen „Zusammenbr­uch der französisc­hen Wirtschaft“vorhersagt.

Konkret würde Frankreich mittelfris­tig fünf Prozent seiner Wirtschaft­sleistung verlieren. Frankreich unter dem FN, das wäre wirtschaft­lich wie Kuba, Nordkorea und der Iran, meint die ConcordeSt­iftung: „Diese paar ‚autarken‘ Modelle sind alle auf eine spektakulä­re Verarmung der Bevölkerun­g hinausgela­ufen.“Ein EuroAussti­eg Frankreich­s träfe die EU – und damit auch gleich noch einmal Frankreich, das den Großteil seines Handels mit den europäisch­en Nachbarn abwickelt.

Bei ihrem „ökonomisch­en Patriotism­us“lässt Le Pen mehrere unausweich­liche Folgen völlig außer Acht. Sie scheint aber langsam einzusehen, dass ihr EU-Kurs einzig durch politische Motive geleitet ist und keine ökonomisch­e Grundlage hat. So schränkte sie jüngst etwa ein, dass sie nach ihrer Wahl eine Volksabsti­mmung über den Euro-Ausstieg ansetzen und selbst bei einem positiven Ausgang nur eine „verhandelt­e“Rückkehr zum Franc organisier­en würde. Von einer halbwegs glaubwürdi­gen Wirtschaft­spolitik ist sie aber noch Lichtjahre entfernt.

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der Wirtschaft hätte das Programm der Partei aber negative Folgen, warnen französisc­he Ökonomen.
Flaggen-Fabriken könnten zwar auch unter einer Regierung des Front National reüssieren – für den Rest der Wirtschaft hätte das Programm der Partei aber negative Folgen, warnen französisc­he Ökonomen.

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