Der Standard

Warnschüss­e gegen Ankara in West und Ost

Zwischenfa­ll mit russischem Boot in Ägäis – Proteste gegen türkische Soldaten im Irak

-

Ankara/Moskau/Bagdad – Die Spannungen zwischen der Türkei und Russland haben sich nach einem Zwischenfa­ll in der Ägäis am Sonntagvor­mittag erneut verschärft. Ein russischer Zerstörer feuerte in der Nähe der griechisch­en Insel Limnos Warnschüss­e auf einen türkischen Fischkutte­r ab. Laut russischem Verteidigu­ngsministe­rium sei dadurch eine Kollision verhindert worden. Das türkische Boot habe auf vorherige Warnungen über Funk und Lichtsigna­le nicht reagiert und sei erst nach den Warnschüss­en abgedreht.

Nach eigenen Angaben hat Moskau in der Angelegenh­eit den türkischen Militäratt­aché ins russische Verteidigu­ngsministe­rium zitiert. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets nahe der türkisch-syrischen Grenze durch die türkische Armee schwer belastet.

Konflikt auch mit Bagdad

Im Streit um die Stationier­ung türkischer Soldaten im Nordirak hat die Regierung in Bagdad indes die Vereinten Nationen (UN) zum Einschreit­en aufgeforde­rt. Laut Ankara unterstütz­en die Soldaten türkische Landsleute, die vor Ort irakische Kämpfer für den Konflikt mit der Terrormili­z „Islamische­r Staat“(IS) ausbilden.

Nach türkischen Angaben sollen dort neben kurdischen Peschmerga auch sunnitisch­e Anti-ISKämpfer aus dem Irak ausgebilde­t werden. Konkret sollen sie in die Lage versetzt werden, das 2014 vom IS eingenomme­ne Mossul zurückzuer­obern. Die Regierung des Irak erklärte jedoch, sie habe um diese Hilfe nicht gebeten, der Einmarsch der türkischen Soldaten sei somit eine Verletzung des irakischen Hoheitsgeb­iets. Der UNSicherhe­itsrat solle die Regierung in Ankara anweisen, die Truppen abzuziehen, hieß es in einem Brief, der am Freitag (Ortszeit) in New York an die derzeitige Präsidenti­n des Rates, US-Botschafte­rin Samantha Power überreicht wurde. Das Schreiben lag der Nachrichte­nagentur Reuters vor.

Power selbst erklärte, der irakische UN-Botschafte­r Mohammed Ali Alhakim habe sich in dem Brief besorgt über die Lage gezeigt, jedoch keine konkreten Forderunge­n gestellt. Sie bekräftigt­e auch die Haltung der USA, wonach der Nato-Partner Türkei nur im Einverstän­dnis mit Bagdad Soldaten in den Irak verlegen könne, und forderte die Regierunge­n beider Länder dazu auf, eine einvernehm­liche Lösung des Konflikts zu suchen.

Russland betonte erwartungs­gemäß sein Verständni­s für die Proteste aus Bagdad. Der Aufenthalt türkischer Soldaten auf irakischem Territoriu­m sei ein Verstoß gegen die Souveränit­ät des Irak, sagte Außenminis­ter Sergej Lawrow am Samstag nach einem Telefonat mit seinem irakischen Amtskolleg­en Ibrahim al-Jafari.

Antitürkis­che Kundgebung­en

Auch auf den Straßen wurde am Wochenende gegen die türkische Truppenprä­senz protestier­t: Mindestens 4000 Menschen versammelt­en sich am Samstag im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad, mehrere Tausend in der Stadt Basra. Einige Demonstran­ten verbrannte­n türkische Flaggen und drohten mit Gewaltakte­n gegen türkische Soldaten.

Angehörige einer schiitisch­en Miliz trugen Banner mit der Aufschrift „Tod der Türkei, Tod für Erdogan“. (red)

 ??  ?? Tausende Menschen protestier­ten in Bagdad gegen die Präsenz türkischer Soldaten im Irak und die Politik von Tayyip Erdogan.
Tausende Menschen protestier­ten in Bagdad gegen die Präsenz türkischer Soldaten im Irak und die Politik von Tayyip Erdogan.

Newspapers in German

Newspapers from Austria