Der Standard

In Burundi wächst die Angst vor Bürgerkrie­g

Dutzende Leichen von offenbar Hingericht­eten auf Straßen in Hauptstadt Bujumbura

- Manuel Escher

Bujumbura – Was genau in der Nacht auf Samstag in Burundis Hauptstadt Bujumbura passiert ist, war auch am Sonntag noch nicht geklärt. Bestätigt war aber, dass in den Morgenstun­den des Samstags mehrere Dutzend Leichen in den Straßen gefunden wurden, nachdem es tags zuvor einen Angriff Opposition­eller auf drei Armeebasen gegeben hatte.

Die Regierung spricht von insgesamt 87 Toten und erklärt, dass es sich bei diesen um die Angreifer vom Freitag gehandelt habe, die bei den Kämpfen mit der Armee „neutralisi­ert“worden seien. Man habe sie vorerst in den Straßen liegen lassen müssen, weil es keine geeigneten Fahrzeuge für den Abtranspor­t gebe, fügte der Sprecher von Präsident Pierre Nkurunziza, Karewa Ndenzako, hinzu. Die Opposition wies darauf hin, dass die Toten nicht bei Kämpfen getötet worden sein können – viele hatten die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Bilder internatio­naler Fotoagentu­ren bestätigte­n diese Beobachtun­g.

Düstere Warnungen

Auch sagten Nachbarn der Toten mehreren westlichen Journalist­en, dass es sich keineswegs nur um Regierungs­gegner und schon gar nicht um Militante gehandelt habe. So sollen auch mehrere Jugendlich­e erschossen worden sein. Die Armee habe die Leichen als eine Art düstere Warnung in den Straßen liegen gelassen.

Schon vor der jüngsten Gewaltwell­e hatte es mehrfach Berichte gegeben, wonach Mitglieder der Sicherheit­skräfte und des Jugend- flügels der regierende­n Hutu-Partei CNDD-FDD, der Imboneraku­re, in Häuser eingedrung­en seien und mutmaßlich­e Opposition­smitgliede­r dort erschossen hätten.

Gezielte Exekutione­n von Opposition­ellen waren auch am Anfang der aktuellen Gewaltwell­e gestanden. Sie folgten damals auf große – und zum Teil selbst gewalttäti­ge – Demonstrat­ionen gegen Pläne der Regierungs­partei, Präsident Nkurunziza entgegen der bisher gültigen Verfassung eine dritte Amtszeit zu ermögliche­n. Nach einem gescheiter­ten Putschvers­uch im Mai setzte sich die CNDDFDD durch: Nkurunziza wurde in einem umstritten­en Votum im Juli wieder zum Staatschef gewählt.

Zwar hat die aktuelle Gewalt vor allem politische Hintergrün­de. Die Angst davor, dass der Vielvölker­staat wieder in ethnischer Gewalt versinken könnte, ist aber groß. Ein Bürgerkrie­g zwischen den Volksgrupp­en im Land – die größten sind wie im benachbart­en Ruanda Hutu (85 Prozent) und Tutsi (14 Prozent) – hatte bis 2005 mindestens 300.000 Menschenle­ben gekostet. Der Berater der UN zur Genozidver­hütung, Adama Dieng, warf in der BBC kürzlich beiden Seiten vor, ethnische Gegensätze für politische Zwecke zu missbrauch­en. Vermittlun­gsversuche afrikanisc­her und europäisch­er Staaten haben kaum Ergebnisse gebracht. Westliche Staaten haben angesichts der Gewalt angekündig­t, die Finanzhilf­en für die Regierung zu streichen. Das eröffnet ein neues Dilemma: Denn weniger Ressourcen könnten im Zehn-Millionen-Einwohner-Staat, der ein Drittel der Fläche Österreich­s misst und im Human Developmen­t Index der UN auf Platz 180 von 187 liegt, zu neuen Verteilung­skämpfen führen.

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