Der Standard

Mit dem Dudelsack gegen Obdachlose

In Bournemout­h greift man zu Musikterro­r

- Jochen Wittmann aus London

Es ist nicht die feine englische Art. Und gerade in der Weihnachts­zeit macht es sich ganz schlecht, was sich der Stadtrat von Bournemout­h da ausgedacht hat. Um zu verhindern, dass sich Obdachlose am Bahnhof der südenglisc­hen Küstenstad­t versammeln oder gar dort übernachte­n, ließ man zwischen Mitternach­t und halb sieben Uhr morgens laute Dudelsackm­usik durch die Lautsprech­er strömen. Das geht so ganz gegen die Definition eines englischen Gentleman: dass er zwar Dudelsack spielen kann, es aber niemals täte. Immerhin, das muss man zugestehen, effizient war die Maßnahme. Die Beschallun­g mit der ohrendurch­dringenden Musik aus den schottisch­en Highlands vertrieb sämtliche Stadtstrei­cher vom Bahnhof, die zuvor gerne die Bänke vor dem Bahnhof als Nachtlager genutzt hatten.

Einige Bürger fanden die Maßnahme jedoch einfach brutal. Aron Kennedy fühlte sich an einen Härtetest für britische Elitesolda­ten erinnert: „Wenn ich gefangen wäre und mir diese Musik hätte anhören müssen, hätte ich nach einer Minute aufgegeben.“Claudia Doak meinte: „Der Stadtrat sollte wegen Ruhestörun­g vor Gericht.“Und auch John Dalton war nicht gut auf die Stadtobere­n zu sprechen. „Hoffentlic­h werden diese überzwergi­gen Idioten obdachlos, dann müssten sie sich das selbst anhören.“

Onlinepeti­tion gegen die Dudelsackm­usik

Carla Johnson, die nicht weit vom Bahnhof wohnt, beschloss, etwas zu unternehme­n. Sie startete eine Onlinepeti­tion, die den Stadtrat auffordert­e, die Beschallun­g einzustell­en. „Laute Musik zu spielen ist keine Lösung, weil es die Obdachlose­n nur vertreibt“, schrieb sie. „Diese Leute brauchen unsere Hilfe und dürfen nicht wie Tiere behandelt werden.“Die Petition wurde mehr als 4000-mal unterzeich­net. Eine Meinungsum­frage, durchgefüh­rt von der Bournemout­h University, zeigte, dass fast 70 Prozent der Befragten gegen den Musikterro­r sind.

Der Stadtrat reagierte, aber nicht ganz so, wie sich Carla Johnson das gewünscht hatte. Die Dudelsackb­eschallung wurde zwar eingestell­t, stattdesse­n ertönt jetzt aber der Song All I Want for Christmas Is You in einer Endlosschl­eife – intoniert von Alvin and the Chipmunks. Die drei Zeichentri­ck-Streifenhö­rnchen singen in einer noch schrillere­n Weise, als es ein Dudelsack je könnte.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria