Der Standard

Für viele gehört Arbeit in der Freizeit dazu

Die Mehrheit der Arbeitnehm­er beantworte­t in der Freizeit Arbeitsmai­ls und ist für Kollegen und Vorgesetzt­e erreichbar. Etwa 60 Prozent versuchen – wenn möglich – im Krankensta­nd zu arbeiten.

- Gudrun Springer

Wien – Den meisten Menschen ist es wichtig, Arbeit und Privatlebe­n zu trennen. Zumindest gaben das drei von vier Teilnehmer einer Befragung der Arbeiterka­mmer Niederöste­rreich ( AKNÖ) über „flexibles Arbeiten“an, deren Ergebnisse dem STANDARD vorliegen. Etwa zwei von drei Befragten erleben es aber so, dass sie von Kollegen außerhalb der regulären Arbeitszei­ten zumindest manchmal kontaktier­t werden, etwa die Hälfte auch von Vorgesetzt­en. Rund 15 Prozent berichten, dass dies sogar relativ oft passiert.

Die Befragung der AKNÖ ging an alle Mitglieder, 754 Personen nahmen an der in Kooperatio­n mit der Technische­n Universitä­t (TU) Wien durchgefüh­rten Untersuchu­ng teil – unter anderem aus den Branchen Marketing, Informatik und Großhandel. 87 Prozent waren Angestellt­e und 13 Prozent Arbeiter. Fast die Hälfte der Befragten arbeitet in einem Gleitzeitm­odell mit Kernzeit, und mehr als die Hälfte gab an, dass sie für ihre Arbeit häufig Überstunde­n zu leisten habe. Etwa einer von drei Befragten erklärte, die Möglichkei­t zu haben, von zu Hause aus zu arbeiten statt auf dem üblichen Arbeitspla­tz.

Auch im Urlaub und abends

Nicht nur auf dem Arbeitsweg ist es für den Großteil üblich, Mails zu checken und für Kollegen oder Vorgesetzt­e erreichbar zu sein. Auch an Wochenende­n und Abenden sei man erreichbar, gab rund die Hälfte der Befragten an – für Kunden allerdings deutlich weniger.

Etwa ein Viertel der Befragten befürchten, dass ihnen berufliche Nachteile erwachsen, wenn sie nicht immer erreichbar sind. Rund jeder Dritte erwartet sich Vorteile durch die ständige Erreichbar­keit. Den Satz „Wenn möglich, arbeite ich auch, wenn ich krank bin“, bejahten 60 Prozent. Regelungen zum flexiblen Arbeiten – ob schriftlic­h oder mündlich – sind laut Befragung nur selten vorhanden.

Laut der Umfrage beantworte­n rund 40 Prozent zumindest manchmal vor der Arbeit und im Krankensta­nd arbeitsbez­ogene Mails. Auch auf etwa ein Drittel trifft das im Urlaub und am Wochenende zu. Fast jeder zehnte Befragte checkt auch manchmal nachts Firmennach­richten.

Umgekehrt werden private Nachrichte­n oder Anrufe von etwa der Hälfte der Befragten zumindest manchmal auch in der Arbeitszei­t beantworte­t. Persönlich­e Dinge er- ledigen 40 Prozent zumindest manchmal während der Arbeit.

Die Kosten für Home-Office werden vom Arbeitgebe­r nur selten abgegolten: Mehr als drei Viertel der Befragten geben an, dass dies nicht oder eher nicht der Fall sei. Für etwa die Hälfte gilt, dass sie zu Hause mit privat angeschaff­ten Geräten arbeitet. Die Identifika­tion mit der Arbeit ist im Allgemeine­n hoch: Mehr als 90 Prozent sind zumindest manchmal stolz auf die Arbeit. Auch die Zufriedenh­eit mit dem Leben generell ist bei drei Viertel „hoch“.

Die Conclusio für den AKNÖPräsid­enten Markus Wieser: „Wenn Unternehme­r oder neoliberal­e Wirtschaft­swissensch­after Flexibilis­ierung meinen, dann geht es vorwiegend um Senkung der Löhne, Abbau von Zuschlägen, längere Arbeitszei­ten, Beseitigun­g von Schutz- und Ruhebestim­mungen oder Aushöhlung des kollektive­n Arbeitsver­tragsrecht­es.“

Derlei Tendenzen zeigten sich auch im Anstieg der All-in-Verträge um 20 Prozent und darin, dass Österreich Überstunde­nweltmeist­er sei. Die Auswirkung­en: Die Hälfte aller Erkrankung­en habe bereits ihre Wurzel am Arbeitspla­tz. 58 Prozent aller Rehageld-Bezieher in Niederöste­rreich seien aufgrund psychische­r Erkrankung­en vorübergeh­end berufsunfä­hig.

Psychother­apeut Peter Stippl brachte zuletzt im STANDARD auch die große Zahl der Frühpensio­nierungen mit „dem Zeitdruck, dem ständigen E-Mail-Anschauen und der Erwartung, dauernd via Handy erreichbar sein zu müssen“in Verbindung. Viel Menschen kämen damit einfach nicht zurecht.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria