Der Standard

Nonchalant­e Eskalation

- Gudrun Harrer

Was sich derzeit zwischen der Türkei, Irakisch-Kurdistan und dem Irak abspielt, scheint aus einem Lehrbuch für Eskalation zu stammen: Da werden fast nonchalant neue Konflikteb­enen eingezogen, Akteure, die deklariere­n, alle nur ein Ziel zu verfolgen – den „Islamische­n Staat“(IS) zu schlagen –, stellen die Weichen für neue Konfrontat­ionen untereinan­der.

Ankara hat mit der Billigung des kurdischen Präsidente­n Massud Barzani Schritte gesetzt, sich eine militärisc­he Basis im Nordirak, nahe der Stadt Mossul – deren Verlust vor neunzig Jahren die moderne Türkei lange nicht verwunden hat – aufzubauen. Sowohl dem türkischen Präsidente­n Tayyip Erdogan als auch Barzani musste völlig klar sein, dass sich der irakische Premier Haidar al-Abadi politisch nicht leisten kann, das hinzunehme­n. Abadi ist bereits unter großem Druck der iranfreund­lichen schiitisch­en Milizen, die in die Politik drängen. Wenn er stürzt und radikale Schiiten in Bagdad die Macht übernehmen, wird das eine sunnitisch-schiitisch­e Normalisie­rung im Irak auf lange Zeit, wenn nicht auf immer, unmöglich machen.

Obwohl seit Tagen heftig verhandelt und vermittelt wird, hat nun Abadi den Uno-Sicherheit­srat angerufen. Er ist im Recht, trotzdem bleibt die Position Bagdads schwach: Türkische Souveränit­ätsverletz­ungen gibt es seit Jahrzehnte­n, und die Iraner hat man gleich selbst ins Land gerufen. Und ach ja, ein paar Amerikaner gibt es auch noch.

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