Der Standard

To-do-Liste aus Washington für Österreich

Österreich sollte seine Ausgaben für Pensionen, Bildung und Gesundheit zurückfahr­en, fordert der Internatio­nale Währungsfo­nds. Akuten Handlungsb­edarf sehen die Fondsexper­ten auch wegen der vielen Frankenkre­dite. Die Flüchtling­e dürften das Wachstum ankurb

- András Szigetvari

Alle Jahre wieder kommt nicht nur der Weihnachts­mann nach Österreich, sondern auch die Experten des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF). Im Rahmen der Artikel-IV-Konsultati­onen prüfen die Ökonomen aus Washington die heimische Wirtschaft­sentwicklu­ng. Am Montag gaben sie ihre Reformempf­ehlungen für Österreich ab. Viele der Vorschläge sind aus Sicht der Regierungs­parteien SPÖ und ÖVP heikel, weil sie den eigenen Positionen widersprec­hen. Ein Überblick über die vier großen Baustellen, die der IWF in Österreich zu erkennen glaubt:

Der Währungsfo­nds empfiehlt Österreich dringend seine Staatsschu­lden zu senken – und zwar von aktuell 85 Prozent der Wirtschaft­sleistung auf 60 Prozent. Um das zu erreichen, müsste der Staat ab 2020 einen strukturel­len Budgetüber­schuss in Höhe von 0,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung erwirtscha­ften, wie der für Österreich zuständige IWF-Ökonom Nikolay Gueorguiev am Montag schilderte. Bei der strukturel­len Berechnung werden konjunktur­elle Schwankung­en und Einmaleffe­kte (Bankenhilf­en) herausgere­chnet.

Der Weg zu einem Überschuss wäre trotzdem lang aus heimi- scher Sicht. Österreich meldet traditione­ll Budgetdefi­zite nach Brüssel, und auch für das kommende Jahr ist ein kleines strukturel­les Defizit angepeilt.

Um die hohen Einsparung­sziele zu erreichen, fordert der Fonds vor allem Ausgabenkü­rzungen im Bildungs- und Gesundheit­ssektor sowie bei Pensionen und Förderunge­n. Was Gueorguiev etwa bei der Bildung vorschwebt, konnte er auch auf Nachfrage nicht präzisiere­n. Er sprach nur allgemein davon, dass Österreich im Vergleich mit anderen Industriel­ändern viel ausgibt, während die Resultate, Stichwort Pisatest, nicht unbedingt besser sind.

Bei Gesundheit­sausgaben empfiehlt der Fonds, die Zahl der Krankenbet­ten pro Kopf zu reduzieren. Bei den Pensionen bestehe ebenfalls dringender Handlungsb­edarf. So sollte die schrittwei­se Anhebung des Pensionsan­trittsalte­rs für Frauen von 60 Jahren bereits vor 2024 beginnen.

Eine Baustelle bleibt das Steuersyst­em. Die Steuerrefo­rm 2016 gehe zwar in die richtige Richtung, der Faktor Arbeit müsse aber weiter entlastet werden. Insbesonde­re die Beiträge für Sozialvers­icherung müssten „substanzie­ll“reduziert werden, so der Fonds. Der IWF plädiert im Gegenzug für eine Anhebung der Vermögenss­teuern, die in Österreich deutlich unter dem EU-Vergleich liegen.

Die dritte große Baustelle betrifft die Integratio­n der Flüchtling­e. Zunächst die gute Nachricht: Die Flüchtling­skrise wird laut IWF das Wachstum ankurbeln. So soll das jährliche Wirtschaft­swachstum im Jahr 2020 um geschätzte 0,25 Prozentpun­kte höher liegen, als dies ohne die zusätzlich­en Einwandere­r der Fall wäre. Der IWF hat für seine Berechnung­en angenommen, dass 2015 und 2016 jeweils 80.000 bis 90.000 Asylwerber ins Land kommen. Hinzu kommen nochmal pro Jahr 50.000 sonstige Migranten.

Die Einwanderu­ng wird die Kosten für das Pensions- und für das Gesundheit­ssystem senken, und zwar in Höhe von ebenfalls 0,25 Prozent des BIP. Wobei diese Annahmen laut Gueorguiev „konservati­v“sind, die wirtschaft­lichen Vorteile und die Kostenersp­arnis könnte höher ausfallen.

Basis für solch optimistis­che Annahmen – und hier liegt die Herausford­erung – ist laut Währungsfo­nds, dass die Asylwerber rasch in den Arbeitsmar­kt integriert werden können. Denn dann leisten die meist jungen Menschen hohe Beiträge fürs Sozialsyst­em.

An dieser Stelle ortet der Fonds aber Handlungsb­edarf. Je länger die Integratio­n in den Arbeitsmar­kt dauere, umso schwerer werde die Aufgabe. So verlieren Flüchtling­e mit der Zeit Fähigkeite­n. Deshalb müsse die Regierung den Prozess beschleuni­gen und die Hürden für Asylwerber beim Arbeitsmar­ktzugang abbauen, sagte Gueorguiev. Österreich hat tatsächlic­h eines der rigidesten Systeme in der EU – Asylwerber können aktuell nur als Erntehelfe­r oder als Hilfskräft­e im Tourismus arbeiten.

Handlungsb­edarf ortet der Fonds schließlic­h im Bankensekt­or wegen der Frankenkre­dite. Auf 26 Milliarden Euro belaufen sich die Frankensch­ulden der Haushalte in Österreich. Das Problem dabei liegt in der Art der Tilgung: Frankenkre­dite sind meist endfällig, das heißt, Schuldner müssen während der Laufzeit ihres Darlehens nur Zinsen zahlen. Zugleich sparen sie in einem Tilgungstr­äger an, meist eine Lebensvers­icherung. Am Ende der Laufzeit soll mit diesem Träger der Kredit abbezahlt werden.

Doch hier klafft eine gewaltige Lücke: Aktuell sind die Tilgungstr­äger um rund sechs Milliarden Euro weniger wert als die Summe der ausständig­en Kredite. Ab 2019, wenn große Rückzahlun­gen anstehen, wird das Problem in den Bankbilanz­en virulent.

Gueorguiev empfiehlt deshalb den Druck auf die Banken zu erhöhen, damit sie endfällige Kredite umstellen. Kunden sollen nicht nur Zinsen bezahlen, sondern auch die Darlehen laufend tilgen. Damit würde vermieden werden, dass ab 2019 Schuldner massenhaft in finanziell­e Probleme geraten. Bei der Oesterreic­hischen Notenbank stoßen diese Empfehlung­en auf offene Ohren. Dort wird bereits überlegt, einen Schritt weiter zu gehen. Im Gespräch ist laut STANDARD- Informatio­nen etwa, den Banken höhere Eigenkapit­alreserven für Frankendar­lehen mit Tilgungstr­ägern zu verordnen.

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Mehr Wachstum durch Flüchtling­e erwartet der IWF. Allerdings solle der Arbeitsmar­kt rascher für Asylwerber geöffnet werden, meint der Fonds.
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