Der Standard

Polens Regierung setzt auf Konfrontat­ion

Die neue rechtsnati­onale Führung Polens wird das Land nicht so leicht „umbauen“können, wie sie das gerne täte. In der Bevölkerun­g regt sich erster Widerstand. Doch am Wochenende gingen außer Gegnern auch Anhänger der Regierung auf die Straße.

- Gabriele Lesser aus Warschau

Weiß-rote Fahnen, so weit das Auge reicht: Tausende Demonstran­ten marschiert­en am Sonntag bei Eiseskälte, Wind und Regen durch Polens Hauptstadt Warschau, allen voran Jarosław Kaczyński, Chef der rechtsnati­onalen Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) und zurzeit der mächtigste Mann Polens.

Kaczyński, der in den Jahren 2006 und 2007 Premier Polens war und nach dem Unfalltod seines Zwillingsb­ruders Lech in Smolensk versucht hatte, ihn als Präsidente­n Polens zu beerben, klagte in einer flammenden Rede auf dem Drei-Kreuz-Platz „die anderen“an, politische Heuchler zu sein. Sie würden die Demokratie nicht verteidige­n, wie sie behauptete­n, sondern den Siegern der Parlaments­wahlen vom Oktober das Recht verweigern, Polen zu regieren. „Wir haben die Wahlen gewonnen, und sie erlauben uns nicht, dieses Land umzubauen. Polen muss aber umgebaut werden, und das muss ein großer Umbau sein“, empörte er sich.

Diejenigen, die in der Zeit der Volksrepub­lik verhindert hätten, dass der polnische Papst Johannes Paul II. ein drittes Mal das damals kommunisti­sch regierte Polen besuchte, würden jetzt auch gegen die PiS-Regierung mobilmache­n. Diejenigen, die da angeblich für die Demokratie kämpften, hätten nur die Interessen einer kleinen Gruppe im Auge. Sie hätten sich den Fremden im Ausland verkauft oder auch denjenigen im Lande, die nichts mit den Interessen der Mehrheit der Polen gemein hätten. „Deren Widerstand müssen wir brechen. Das schaffen wir!“

Auch Journalist­en, die der neuen Regierung und ihren Parteigäng­ern nicht genehm sind, waren Ziel der Kritik: Ein Priester rückte der linksliber­alen Tageszeitu­ng Gazeta Wyborcza mit einer „Teufelsaus­treibung“zu Leibe. Umringt von Mitglieder­n nationalko­nservative­r Gruppen aus dem Umfeld der PiS, sprach er vor dem Warschauer Verlagshau­s des Blattes ein Exorzismus­gebet. Die Teilnehmer der Aktion trugen unter anderem ein Transparen­t mit der Aufschrift „Kreuzzug für das Vaterland“.

Kräftemess­en auf der Straße

Nur einen Tag zuvor, am Samstag, hatte in Warschau noch eine völlig andere Stimmung geherrscht. Auf dem Protestmar­sch des „Komitees zur Verteidigu­ng der Demokratie“hatten Demonstran­ten neben polnischen auch zahlreiche EU-Flaggen geschwunge­n. 50.000 Gegner der seit einem Monat regierende­n PiS protestier­ten gegen die Politik der neuen Minister und der PiS-Abgeordnet­en im Parlament. Vor dem Verfassung­sgericht skandierte­n sie „demo-kra-cja“(Demokratie) und „kon-sty-tu-cja“(Verfassung). Mit den Hymnen „Freude schöner Götterfunk­en“und „Noch ist Polen nicht verloren“machten sich diejenigen gegenseiti­g Mut, die die polnische Demo- kratie in Gefahr sehen. Auch in Krakau, Breslau, Posen, Stettin und mehreren kleineren Städten demonstrie­rten Menschen gegen die Regierung.

„Mehrheit bedeutet nicht Diktatur“, sagte Mateusz Kijowski, der Gründer des „Komitees zur Verteidigu­ng der Demokratie“. Es könne nicht sein, dass die neue Regierung, nur weil sie die absolute Mehrheit im Parlament habe und auch der Präsident aus den Reihen der PiS stamme, den Rechtsstaa­t aus den Angeln hebe. Das Verfassung­sgericht sei Hüter der Verfassung. Seine Urteile seien endgültig und sowohl vom Präsidente­n als auch vom Parlament zu respektier­en und umzusetzen.

Streit um Verfassung­srichter

Kijowski spielte damit auf den aktuellen Konflikt um das Verfassung­sgericht an. Dabei geht es um die Besetzung von fünf Richterste­llen in dem insgesamt 15-köpfigen Gremium. Die PiS weigert sich, drei Richter anzuerkenn­en, die noch das Vorgängerp­arlament ausgewählt hatte. Statt zwei der im Dezember frei gewordenen Stellen zu besetzen, hatte das neue Parlament gleich fünf parteinahe Richter ernannt, die sofort von Präsident Duda vereidigt wurden. Das ist verfassung­swidrig, urteilte das Verfassung­sgericht. Präsident, Premier und Parlament müssten dieses Urteil nun eigentlich umsetzen. Doch der Kampf ist noch nicht ausgestand­en. PiS-Chef Kaczyński sagte in einer Sendung von TV Republika, das Urteil der Verfassung­srichter sei zweifelhaf­t und könne nicht in Kraft treten.

SCHWERPUNK­T Raue Töne in Polens Politik

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Mit Nationalfl­aggen und patriotisc­hen Slogans unterstütz­ten tausende Polen die rechtsnati­onale Führung ihres Landes. Auch der polnische Papst Johannes Paul II. gehört zu ihren Symbolfigu­ren.

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