Der Standard

Kein Platz für die verfolgten Rohingya in Japan

Das Land der aufgehende­n Sonne wehrt sich hartnäckig gegen Zuwanderun­g und zahlt lieber – dabei hätte es Immigratio­n bitter nötig

- Siegfried Knittel aus Tokio

18 Jahre ist es nun her, dass Zaw Min Htut Japan erreichte. Ihm, einem Angehörige­n der Rohingya, einer in Burma (Myanmar) verfolgten muslimisch­en Minderheit, drohte wie einigen seiner Kommiliton­en das Gefängnis, nachdem er als Student für mehr Rechte seines Volkes demonstrie­rte. Mit einem gefälschte­n Pass, erzählt er, konnte er aus Burma in den ostasiatis­chen Inselstaat fliegen – und war damit der erste Flüchtling überhaupt, der über den Luftweg nach Japan kam.

Jahrelang musste er Schritt für Schritt um seine Rechte kämpfen – heute hat er eine permanente Aufenthalt­serlaubnis. Er betreibt eine kleine Firma, die unter anderem alte, in Japan nicht mehr benutzte Fahrräder nach Burma verkauft. Hauptsächl­ich kümmert er sich aber um die Rechte seines Volkes in Japan und wohin es sie sonst verschlage­n hat. Nur 1,3 Millionen der insgesamt rund drei Millionen Rohingya leben in Burma. Der Rest ist vor allem nach Saudi-Arabien, Bangladesc­h oder Pakistan geflüchtet.

Etwa 240 Rohingya sind Zaw Min Htut gefolgt und über den Luftweg nach Japan gekommen. Sie müssen jedes Jahr einen neuen Asylantrag stellen, der dann in der Regel abgelehnt wird – zumindest wird aber dann ihr Bleiberech­t verlängert. Damit können sie in Japan arbeiten und erhalten auch eine Krankenver­sicherung.

Abschrecku­ng für Rohingya

Dies bleibt etwa 30 Rohingya vorenthalt­en, die kein Bleiberech­t haben, aber auch nicht abgeschobe­n werden. Ohne Geld, Unterkunft und Versicheru­ng, helfen ihnen die anderen Rohingya in Japan über die Runden, trotzdem ist das natürlich alles andere als eine gesicherte Existenz. Und genau diese Schicksale, sagt Zaw Min Htut, benutzt Japan, um weitere Rohingya davon abzuhalten, von Burma in das Land der aufgehende­n Sonne zu flüchten.

Diese Abschrecku­ngsstrateg­ie gleicht zwar jenen von Bangladesc­h und anderen Nachbarlän­dern Burmas, die die Rohingya auch nicht haben wollen. Allerdings leben in diese zumeist bitterarme­n Staaten Hunderttau­sende Rohingya, während Japan eines der reichsten Länder der Welt ist.

Und nicht nur das: Japan mit seiner niedrigen Geburtenra­te und stetig schrumpfen­den Bevölkerun­g hätte Zuwanderun­g eigentlich bitter nötig. Doch die Furcht vor Überfremdu­ng sorgt dafür, dass sich das Land weiterhin abschottet.

Da hilft es auch nichts, dass Zaw Min Htut betont, dass den Rohingya Radikalism­us fremd ist. Doch auch er fürchtet, dass weitere Verfolgung und Rechtlosig­keit sie für Parolen jihadische­r Gruppierun­gen wie dem Islamische­n Staat (IS) anfällig machen könnte.

Im Frühsommer stellte Japan NGOs umgerechne­t knapp 3,2 Millionen Euro für die in Südasien in Flüchtling­slagern lebenden Rohingya zur Verfügung. Das Land ist weltweit einer der größten Geber für Entwicklun­gshilfepro­jekte. Es scheint, als wolle man sich ein gutes Gewissen erkaufen. 2014 wurden insgesamt elf Flüchtling­e aufgenomme­n.

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