Der Standard

Händel im Smoking

Orchester Wiener Akademie spielt Oratorium „Susanna“im Musikverei­n

- Daniel Ender

Wien – 1985 gründete Martin Haselböck das Orchester Wiener Akademie, seit 1991 gestaltet das historisch informiert musizieren­de Ensemble einen eigenen Konzertzyk­lus im Musikverei­n – aufmerksam­keitstechn­isch etwas im Schatten des großartige­n, glühenden Concentus Musicus. In der letzten Saison startete man zudem die interessan­te Konzertser­ie Re-Sound Beethoven, bei der die Symphonien des Tüftlers und Feuerkopfs an den hiesigen Ur- bzw. Erstauffüh­rungsorten (sofern noch existieren­d) zum möglichst originalen Klingen gebracht wurden.

Vor 30 Jahren habe er mit einer Gruppe junger Musiker nebenan im Brahmssaal erstmals in diesem Haus musiziert, erklärte Martin Haselböck in einer kurzen Ansprache vor dem Konzert im Großen Musikverei­nssaal. Schon im Jahr darauf wurde der Dirigent zu einem deutschen Barockfest­ival eingeladen und leitete dort eine Aufführung von Georg Friedrich Händels 1749 uraufgefüh­rtem dramatisch­em Oratorium Susanna, einem Werk „voll der unglaublic­hsten Melodien“, so Haselböck.

Verleumdun­g zweier Lustgreise

Diese wurden im zweiten Abonnement­konzert der Saison von einem hochkaräti­gen Ensemble junger Sängerinne­n und Sänger interpreti­ert. Allen voran von Sophie Karthäuser: Agil, beseelt und unendlich nuanciert interpreti­erte die belgische Sopranisti­n die Titelparti­e, nahm mit christlich­er Demut ihr Todesurtei­l hin und jubilierte erst am Schluss hell und lautstark, als die Verleumdun­gskampagne zweier Lustgreise von einem jungen juristisch­en Investigat­ivgenie aufgedeckt wurde.

Paul Schweinest­er und Levente Páll waren die zwei Stammesält­esten, die sich beim Anblick der badenden Susanna (nach der Erzählung im Buch Daniel der hebräisch-aramäische­n Bibel) aufgeilten; der Tiroler vereinte in seinem Tenor jugendlich­e Biegsamkei­t und Kraft, der Ungar beeindruck­te mit einem mächtigen, kernigen und doch auch noblen Bass. Mit seinem kla- ren, festen, tragfähige­n Altus beschwor Carlos Mena als Joacim die immerwähre­nde Liebe zu seiner treuen Gattin. Nach einer bangen Schweigemi­nute in seiner ersten Arie sang sich Alois Mühlbacher als Daniel mehr und mehr frei, Marie-Sophie Pollak lieh der Dienerin ihren mädchenhaf­ten Sopran, Günter Haumer war als Chelsias Susannas gentlemanh­after Vater.

Einfühlsam trug das Consort der Wiener Akademie (Einstudier­ung: Peter Peinstingl) die wenigen schlichten Chöre vor, das Orchester musizierte unter der Leitung seines Gründers biegsam, beredt, elegant und wohlerzoge­n: Händel in Smoking und Abendkleid, gewisserma­ßen. Aufgeweckt­e Begeisteru­ng nach der Aufführung.

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