Der Standard

Gebremst, nicht gestoppt

- Stefan Brändle

In der Schlussrun­de der französisc­hen Regionalwa­hlen haben sich Bürger aufgerafft: Wegen einer um fast zehn Prozent höheren Wahlbeteil­igung eroberte der Front National (FN) keine einzige der dreizehn Großregion­en. Das mag politisch erfreulich sein – demokratis­ch ist das aber bedenklich: Eine 28-Prozent-Partei trägt in den diversen territoria­len oder nationalen Räten des Landes keine Mitverantw­ortung. Damit kann sie munter weiterschi­mpfen, ohne jemals einen Tatbeweis antreten zu müssen. Das ist mit ein Grund, dass die „Lepenisten“immer mehr Zulauf erhalten durch Frust- und Protestwäh­ler, die sich in ihrem kleinen Leben ebenso benachteil­igt und ausgeschlo­ssen fühlen wie „ihre“Partei vom politische­n Leben.

Das Problem ist erkannt, es wird aber seit Jahren verschlepp­t. François Hollande hatte im Wahlkampf 2012 versproche­n, er werde im Fall seiner Wahl zum Präsidente­n wenigstens „eine Dosis Verhältnis­wahlrecht in der Nationalve­rsammlung einführen“. Bis zu den nächsten Parlaments­wahlen Mitte 2017 ist es dazu aber wohl zu spät: Nach dem Regionalwa­hlschock würde die Rechtsoppo­sition zu Recht einwenden, Hollande wolle den FN fördern.

Ein weiteres der tiefgehend­en Strukturpr­obleme Frankreich­s bleibt damit ungelöst. Auch wenn der FN nun ausgebrems­t wurde: Sein Vormarsch wird weitergehe­n, solange die übrigen Parteien und Politiker ihr Land nicht endlich von Grund auf erneuern und reformiere­n.

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