IT-Chaos: Tausende Akten bleiben in Pensionsanstalt liegen
Noch immer Rückstau bei 10.000 Verfahren PVA reagiert mit „Akutmaßnahmen“
Wien – Die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) kämpft mit massiven Problemen rund um das im Oktober neu eingeführte elektronische Verwaltungssystem Zepta. Zeitweise gab es einen Rückstau von bis zu 30.000 Verfahren, wurde dem STANDARD von mehrere Quellen bestätigt. PVAChef Winfried Pinggera bestätigte auf Anfrage die Schwierigkeiten. „Akutmaßnahmen“seien bereits eingeleitet worden, sodass der Rückstau auf 10.000 Verfahren habe reduziert werden können.
Da nun deutlich mehr Mitarbeiter im Einsatz seien und auch der Hardwareeinsatz aufgestockt worden sei, hofft er, dass der weitere Abbau der Akten bis Weihnachten gelingt. Andere Mitarbeiter rechnen freilich mit noch länger anhaltenden Turbulenzen. In einem Schreiben an ein Krankenhaus, das dem STANDARD vorliegt, heißt es, die Lage habe sich „bisher nur marginal, aber nicht substanziell verbessert“. Betroffen sind nicht nur klassische Pensionsanträge, sondern auch jene auf Pflegegeld, Reha, Kuren und Invaliditätspensionen. (red)
Wien – Der Optimismus in der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) war wohl etwas zu groß. Als der STANDARD Anfang November von EDV-Problemen bei der Einführung des elektronischen Verwaltungssystems Zepta berichtete, erklärte eine Sprecherin noch, Probleme würden rasch gelöst oder seien schon behoben worden.
Mitte Dezember zeigt sich nun, dass es noch immer zu massiven Beeinträchtigungen kommt. Mehrere leitende Mitarbeiter sprechen unabhängig voneinander von zeitweise 30.000 Akten, die sich stapelten. Betroffen sind laut Informierten neben dem Pflegegeld und der Berufsunfähigkeitspension auch die Zuweisungen in RehaZentren und Kurhäuser. Anträge der Patienten auf Rehabilitation – sie sollten nach dem Spitalsaufenthalt besonders rasch entschieden werden – dauerten nun sechs bis acht Wochen, erzählt ein Insider.
In einem Schreiben der PVA an ein Krankenhaus (mit ihnen wird bei der Begutachtung der Patienten zusammengearbeitet, Anm.), das dem STANDARD vorliegt, werden die Schwierigkeiten auch offen eingeräumt. Die Ärzte werden darin um Verständnis für die „ungenügende Zuteilung von Begutachtungsaufträgen“gebeten.
Die Situation habe sich im Bereich Medizin leider „bisher nur marginal, aber nicht substanziell verbessert“, heißt es wörtlich. Auch von „vermehrten Ausfällen des Systems“, sowie „fehlerhaften oder nicht richtig gespeicherten Dokumentenübermittlungen“ist die Rede. In das elektronische System kämen noch immer zu wenige Aufträge, heißt es weiters. An der Bearbeitung der Mängel werde zwar gearbeitet, die Möglichkeiten der Einflussnahme seien aber beschränkt.
Falsche Bescheide
Wie berichtet, ist es auch bei Pensionsanträgen zu schweren Pannen gekommen. Sie wurden in einigen Fällen doppelt und dreifach – mit unterschiedlichen Ergebnissen – beschieden. Nun berichtet ein Chefarzt, dass der gleiche Akt wegen der Pannen schon zwölfmal auf seinem Tisch gelandet sei. Der Bitte, rasch eine Krisensitzung der Chefärzte einzuberufen, sei nicht nachgekommen worden. Die Schwierigkeiten führten dazu, dass derzeit statt vor der Umstellung 100 bis 120 Anträge am Tag nur rund 20 Akten abgearbeitet werden könnten, ist aus einer Landesstelle zu hören. Die Veränderungen der Abläufe und Zuständigkeiten ohne ausreichende Schulung hätten „ein totales Chaos angerichtet“, heißt es aus dem chefärztlichen Dienst einer anderen Landesstelle.
Anstaltsleiter Winfried Pinggera erklärte auf STANDARD- Anfrage, man müsse die Causa „differenzierter sehen“. Zwar räumt auch er ein, es habe „riesige Umstel-lungsschwierigkeiten “gegeben, bei einer derart grundlegenden Änderung der Arbeitsabläufe, die mit der Einführung des elektronischen Aktes verbunden sei, war für ihn aber „nicht zu erwarten, dass das reibungslos gehen wird“.
Den Rückstau an 30.000 Verfahren habe es vor ein paar Wochen gegeben, mittlerweile habe man diesen auf 10.000 abgebaut. Vor einigen Tagen habe man „Akutmaßnahmen“gesetzt, berichtet Pinggera. Sogenannte „Anschlussheilverfahren“, wo nach einem Krankenhausaufenthalt eine Reha verordnet wird, würden bevorzugt abgearbeitet.
Da vor allem das Scannen der Eingangspost und deren Beschlag- wortung zu den Verzögerungen im System führe, habe man auch kurzfristig deutlich mehr Scanner angeschafft.
Weiters sei die Zahl der damit befassten Mitarbeiter aufgestockt worden, „damit wir aus diesem Flaschenhals rauskommen“. Das neue Ziel, das nicht zuletzt durch Überstundeneinsatz erreicht werden soll: „Bis Weihnachten wollen wir den Rückstau abgebaut haben. Ich bin guter Dinge, dass wir das in den Griff kriegen“, so Pinggera. Wobei er einräumt, dass in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung Umstellungsprobleme bis zu ein Jahr lang angehalten haben.
In PVA-Kreisen werden die Turbulenzen nicht zuletzt mit der dürftigen Vorbereitung erklärt. Sachbearbeiter hätten lediglich eine eintägige Einschulung erhal- ten. Nachsatz: „Acht von zehn Testfällen, die durchgespielt wurden, haben nicht geklappt.“Gegengesteuert worden sei trotz mehrerer Warnungen aber nicht.
Pinggera sieht ein anderes Problem. In Tirol, wo man ein Durchschnittsalter von 30 habe, gebe es überhaupt keine Probleme. In anderen Landesstellen mit älteren Mitarbeitern – er nennt vor allem Wien – „haben wir nicht die Generation der EDV-Jünger“. Und: „Dort haben wir auch Mitarbeiter, die sagen: Das machen wir nicht. Alles ist Mist.“
Thematisiert werden in der PVA auch die Kosten für Zepta. Der in dem Zusammenhang stehende Auftrag über 9,45 Millionen Euro an die Raiffeisen IT stelle nur einen Bruchteil des Gesamtaufwands für das Projekt dar.