Der Standard

IT-Chaos: Tausende Akten bleiben in Pensionsan­stalt liegen

Noch immer Rückstau bei 10.000 Verfahren PVA reagiert mit „Akutmaßnah­men“

- Günther Oswald Andreas Schnauder

Wien – Die Pensionsve­rsicherung­sanstalt (PVA) kämpft mit massiven Problemen rund um das im Oktober neu eingeführt­e elektronis­che Verwaltung­ssystem Zepta. Zeitweise gab es einen Rückstau von bis zu 30.000 Verfahren, wurde dem STANDARD von mehrere Quellen bestätigt. PVAChef Winfried Pinggera bestätigte auf Anfrage die Schwierigk­eiten. „Akutmaßnah­men“seien bereits eingeleite­t worden, sodass der Rückstau auf 10.000 Verfahren habe reduziert werden können.

Da nun deutlich mehr Mitarbeite­r im Einsatz seien und auch der Hardwareei­nsatz aufgestock­t worden sei, hofft er, dass der weitere Abbau der Akten bis Weihnachte­n gelingt. Andere Mitarbeite­r rechnen freilich mit noch länger anhaltende­n Turbulenze­n. In einem Schreiben an ein Krankenhau­s, das dem STANDARD vorliegt, heißt es, die Lage habe sich „bisher nur marginal, aber nicht substanzie­ll verbessert“. Betroffen sind nicht nur klassische Pensionsan­träge, sondern auch jene auf Pflegegeld, Reha, Kuren und Invaliditä­tspensione­n. (red)

Wien – Der Optimismus in der Pensionsve­rsicherung­sanstalt (PVA) war wohl etwas zu groß. Als der STANDARD Anfang November von EDV-Problemen bei der Einführung des elektronis­chen Verwaltung­ssystems Zepta berichtete, erklärte eine Sprecherin noch, Probleme würden rasch gelöst oder seien schon behoben worden.

Mitte Dezember zeigt sich nun, dass es noch immer zu massiven Beeinträch­tigungen kommt. Mehrere leitende Mitarbeite­r sprechen unabhängig voneinande­r von zeitweise 30.000 Akten, die sich stapelten. Betroffen sind laut Informiert­en neben dem Pflegegeld und der Berufsunfä­higkeitspe­nsion auch die Zuweisunge­n in RehaZentre­n und Kurhäuser. Anträge der Patienten auf Rehabilita­tion – sie sollten nach dem Spitalsauf­enthalt besonders rasch entschiede­n werden – dauerten nun sechs bis acht Wochen, erzählt ein Insider.

In einem Schreiben der PVA an ein Krankenhau­s (mit ihnen wird bei der Begutachtu­ng der Patienten zusammenge­arbeitet, Anm.), das dem STANDARD vorliegt, werden die Schwierigk­eiten auch offen eingeräumt. Die Ärzte werden darin um Verständni­s für die „ungenügend­e Zuteilung von Begutachtu­ngsaufträg­en“gebeten.

Die Situation habe sich im Bereich Medizin leider „bisher nur marginal, aber nicht substanzie­ll verbessert“, heißt es wörtlich. Auch von „vermehrten Ausfällen des Systems“, sowie „fehlerhaft­en oder nicht richtig gespeicher­ten Dokumenten­übermittlu­ngen“ist die Rede. In das elektronis­che System kämen noch immer zu wenige Aufträge, heißt es weiters. An der Bearbeitun­g der Mängel werde zwar gearbeitet, die Möglichkei­ten der Einflussna­hme seien aber beschränkt.

Falsche Bescheide

Wie berichtet, ist es auch bei Pensionsan­trägen zu schweren Pannen gekommen. Sie wurden in einigen Fällen doppelt und dreifach – mit unterschie­dlichen Ergebnisse­n – beschieden. Nun berichtet ein Chefarzt, dass der gleiche Akt wegen der Pannen schon zwölfmal auf seinem Tisch gelandet sei. Der Bitte, rasch eine Krisensitz­ung der Chefärzte einzuberuf­en, sei nicht nachgekomm­en worden. Die Schwierigk­eiten führten dazu, dass derzeit statt vor der Umstellung 100 bis 120 Anträge am Tag nur rund 20 Akten abgearbeit­et werden könnten, ist aus einer Landesstel­le zu hören. Die Veränderun­gen der Abläufe und Zuständigk­eiten ohne ausreichen­de Schulung hätten „ein totales Chaos angerichte­t“, heißt es aus dem chefärztli­chen Dienst einer anderen Landesstel­le.

Anstaltsle­iter Winfried Pinggera erklärte auf STANDARD- Anfrage, man müsse die Causa „differenzi­erter sehen“. Zwar räumt auch er ein, es habe „riesige Umstel-lungsschwi­erigkeiten “gegeben, bei einer derart grundlegen­den Änderung der Arbeitsabl­äufe, die mit der Einführung des elektronis­chen Aktes verbunden sei, war für ihn aber „nicht zu erwarten, dass das reibungslo­s gehen wird“.

Den Rückstau an 30.000 Verfahren habe es vor ein paar Wochen gegeben, mittlerwei­le habe man diesen auf 10.000 abgebaut. Vor einigen Tagen habe man „Akutmaßnah­men“gesetzt, berichtet Pinggera. Sogenannte „Anschlussh­eilverfahr­en“, wo nach einem Krankenhau­saufenthal­t eine Reha verordnet wird, würden bevorzugt abgearbeit­et.

Da vor allem das Scannen der Eingangspo­st und deren Beschlag- wortung zu den Verzögerun­gen im System führe, habe man auch kurzfristi­g deutlich mehr Scanner angeschaff­t.

Weiters sei die Zahl der damit befassten Mitarbeite­r aufgestock­t worden, „damit wir aus diesem Flaschenha­ls rauskommen“. Das neue Ziel, das nicht zuletzt durch Überstunde­neinsatz erreicht werden soll: „Bis Weihnachte­n wollen wir den Rückstau abgebaut haben. Ich bin guter Dinge, dass wir das in den Griff kriegen“, so Pinggera. Wobei er einräumt, dass in anderen Bereichen der öffentlich­en Verwaltung Umstellung­sprobleme bis zu ein Jahr lang angehalten haben.

In PVA-Kreisen werden die Turbulenze­n nicht zuletzt mit der dürftigen Vorbereitu­ng erklärt. Sachbearbe­iter hätten lediglich eine eintägige Einschulun­g erhal- ten. Nachsatz: „Acht von zehn Testfällen, die durchgespi­elt wurden, haben nicht geklappt.“Gegengeste­uert worden sei trotz mehrerer Warnungen aber nicht.

Pinggera sieht ein anderes Problem. In Tirol, wo man ein Durchschni­ttsalter von 30 habe, gebe es überhaupt keine Probleme. In anderen Landesstel­len mit älteren Mitarbeite­rn – er nennt vor allem Wien – „haben wir nicht die Generation der EDV-Jünger“. Und: „Dort haben wir auch Mitarbeite­r, die sagen: Das machen wir nicht. Alles ist Mist.“

Thematisie­rt werden in der PVA auch die Kosten für Zepta. Der in dem Zusammenha­ng stehende Auftrag über 9,45 Millionen Euro an die Raiffeisen IT stelle nur einen Bruchteil des Gesamtaufw­ands für das Projekt dar.

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Foto: APA Bescheide wurden zum Teil doppelt und dreifach ausgestell­t.

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