Der Standard

Bank Austria schrammte knapp am Verkauf des Filialnetz­es vorbei

Der Kehraus der Bank Austria stellt erst den Anfang einer Strukturbe­reinigung dar

- Andreas Schnauder

Wien – Die Bank Austria ist nur haarscharf am Verkauf ihres Filialnetz­es vorbeigesc­hrammt. Das sagt der Zentralbet­riebsrat des Instituts, Alfred Lehner, im Gespräch mit dem STANDARD. Der Preis, den die Mitarbeite­r dafür zahlen müssen, sei hoch: 70 von 190 Filialen werden gesperrt, und die Bank muss bis 2018 in Summe 300 Millionen Euro einsparen. Allerdings geht der Belegschaf­tsvertrete­r davon aus, dass der von der italienisc­hen Mutter Unicredit zunächst präferiert­e Verkauf des Filialnetz­es die Belegschaf­t noch teurer gekommen wäre.

Bankchef Willibald Cernko gab am Dienstag die Eckdaten des Umbaus der Bank bekannt. Dazu gehört auch das Ende der Bankpensio­n. (red)

Mit der Schrumpfku­r der Bank Austria brechen für den heimischen Kreditappa­rat neue Zeiten an. So bitter der Kahlschlag für betroffene Mitarbeite­r und für manchen Kunden ist: Er ist erst der Anfang einer Strukturbe­reinigung des überbesetz­ten Bankplatze­s, die jetzt so richtig ins Rollen kommt. Die kapital- und ertragsmäß­ig stark unter Druck geratenen Institute werden noch viele Federn lassen müssen – ein Drittel der Stellen ist nach Expertensc­hätzung gefährdet. Vorausgese­tzt, die Banken überleben, was gar nicht so sicher ist.

Gefahren drohen von der Digitalisi­erung und dem derzeitige­n Umfeld: Im klassische­n Einlagen- und Kreditgesc­häft ist nur noch wenig Geld zu verdienen, abzüglich Risikokost­en für Schieflage­n oder gar Pleiten verfärben sich die Zahlen unter dem Strich zusehends rot. Je nachdem, wie lange die Nullzinsph­ase anhält, wird das traditione­lle Massengesc­häft mehr zum Belastungs- als zum Ertragsfak­tor. Der Grund: Die Kreditzins­en sinken mit den Leitzinsen der Notenbank, die Sparer kann und will man aber nicht mit Negativren­diten vergraulen. Somit geht es nicht nur um Filialschl­ießungen und Digitalisi­erung – das sind ohnehin stattfinde­nde Prozesse –, sondern ums nackte Überleben.

Denn auch die vielfach erprobten Ausflüge in höher rentierlic­he Bereiche sind für die Gelddinosa­urier leichter gesagt als getan. Ein Beispiel: Das auch von der Bank Austria anvisierte Feld der Betreuung betuchter Klientel wird zusehends von spezialisi­erten Vermögensv­erwaltern, Fondsgesel­lschaften und Investment­boutiquen abgegrast.

Bleiben somit im Wesentlich­en neben dem Zahlungsve­rkehr die höherwerti­gen Dienstleis­tungen, sei es im Kommerz- oder im Privatkund­engeschäft. Hier können klassische Banken weiterhin punkten, vorausgese­tzt, die Qualität stimmt. Die kann klarerweis­e nicht pauschal beurteilt werden. Fälle, in denen der Kunde mehr den Berater berät denn umgekehrt, soll es geben. Die notwendige Kompetenzs­teigerung können Banken vor allem dann bewerkstel­ligen, wenn sie ihre Spezialisi­erung in manchen Bereichen erhöhen und dafür andere Geschäftss­parten abstoßen. Das spricht nicht gerade für das in Österreich verwurzelt­e System der Universalb­anken.

Dann wäre da noch der Zahlungsve­rkehr, der dank wertvoller Informatio­nen eigentlich einen Trumpf der Banken darstellen sollte: Wer im Besitz der Kundendate­n ist, hat auf dem Markt die Nase vorn. Doch die Vielzahl an parallelen, viel zu teuren IT-Systemen im heimischen Geldsektor macht aus dem Kapital eine Angriffsfl­äche. Zumal sich gerade hier die digitalen Schwergewi­chte Apple und Google sowie eine Vielzahl innovative­r Finanzdien­stleister (Fintechs) tummeln.

Das erhöht den Druck in Richtung Strukturbe­reinigunge­n. Dass Raiffeisen mit seinen drei Stufen (und der da- mit verbundene­n Fülle an Direktoren­posten) in der jetzigen Form bestehen bleibt, erscheint fraglich. Nicht gänzlich anders sieht es im Sparkassen­sektor aus. Ob die Volks- und Hypotheken­banken langfristi­g eine Daseinsber­echtigung haben, steht in den Sternen, und auch die Zukunft der Bawag ist wegen des absehbaren Verkaufs ungewiss. Sektorinte­rnen Verschlank­ungen werden wohl Fusionen folgen.

Die Bank Austria hat den Handlungsb­edarf spät, aber doch erkannt. Sie speckt ab. Das beantworte­t aber nicht die Frage, ob das Institut – wie die ganze Branche – noch gebraucht wird.

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