Besuchsverbot im Asylquartier
Kritik an Begründung der Strafe für „Dossier“-Journalisten
Eisenstadt/Wien – Jeder Asylwerber habe das Recht, Besucher in sein von einem Bundesland zugewiesenes Quartier einzuladen und sie dort zu empfangen. Werde ihm dies verweigert, sei von einem Verstoß gegen das Recht auf Privatleben laut Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention auszugehen – es sei denn, von den Besuchern würde eine Gefahr ausgehen oder sie hätten aus anderen Gründen Hausverbot.
So kommentiert Anny Knapp vom NGO-Dachverband Asylkoordination einen Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt, dem zufolge Journalisten der Aufdeckerplattform Dossier im Zuge ihrer Arbeit zu Asylwerberunterkünften Besitzstörung begangen haben. Nun müssen sie inklusive Verfahrenskosten 2000 Euro berappen ( der Standard berichtete).
Konkret hatten fünf DossierMitarbeiter am 24. Oktober 2014 eine Flüchtlingspension im burgenländischen Pama besichtigt: ein Folgebesuch. Ein Jahr davor hatte die Pension im Zuge einer gemeinsam mit Puls 4 durchgeführten Recherche in allen burgenländischen, niederösterreichischen und Salzburger Flüchtlingsunterkünften am allerschlechtesten abgeschnitten. Die Rede war von „wucherndem Schimmel“an den Wänden, von verdreckten Matratzen und Möbeln, rationiertem Strom und Gas sowie immer wieder ausfallender Heizung und Warmwasserzufuhr.
Zum Folgebesuch im Herbst 2014 waren die Journalisten von einem in der Pension wohnenden Asylwerber eingeladen worden. Doch laut den Richtern in dem zivilrechtlichen Rekursverfahren reichte dies als Grundlage des Dossier- Besuchs nicht aus. Vielmehr hätte es dazu einer Bewilligung des Quartiergebers bedurft, der sich das Okay wiederum beim Amt der burgenländischen Landesregierung hätte holen müssen.
Denn, so der Gerichtsbeschluss: Aus der Aufnahmerichtlinie der EU ergebe sich, „dass der Zugang zu Asylquartieren weitgehend eingeschränkt werden darf“. Und der Vertrag zwischen Pensionsinhaber und Republik Österreich „verpflichte“Ersteren sogar, „Besuche wie den hier zu beurteilenden zu untersagen“.
„De facto kaserniert“
Bei Anwalt Alfred Noll, der Dossier in dem Verfahren vertritt, stößt dies auf Unverständnis. Asylwerber würden hier „de facto kaserniert. Sie würden „schlechter behandelt als Strafgefangene, denen Besuchsrecht auf alle Fälle zu gewähren ist“. Insgesamt, so Noll, verfolge ein solches Pensions-„Betretungsverbot“für Journalisten den Zweck, miese Lebensumstände in Asylquartieren vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Denn die Asylwerber selbst hätten keine Beschwerdemöglichkeit.
Das österreichische System der Unterbringung von Asylwerbern weist Schwächen auf. So sind, trotz Durchgriffsrechts des Bundes, nicht genug Wohnplätze aufzutreiben. Und selbst Flüchtlinge, die das Glück hatten, einen Platz in einem „echten“Länderquartier zu ergattern, sehen sich dort mit widrigen Umständen konfrontiert: mit Schimmel, verdreckten Uraltmöbeln, unzureichender Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und grantelnden bis aggressiven Quartiergebern.
Woher man von diesen Missständen weiß? Von Medienberichten – woher sonst. Es war die Arbeit der Aufdeckerplattform Dossier und anderer, die in einer ganzen Reihe von Fällen den Anstoß für Überprüfungen durch NGOs und Behörden gab. Das führte anschließend zu Verbesserungen etwa in Form von Listen mit Qualitätskriterien, die verbindlich eingehalten werden müssen.
Natürlich ist derlei Kontrolle für die Kontrollierten lästig. Doch das rechtfertigt keine Maßnahme, wie sie das Landesgericht Eisenstadt gesetzt hat. Auch wenn es sich dabei nur um einen Beschluss in einem Einzelfall handelt: Die Qualifizierung journalistischer Recherche als Besitzstörung – und das damit einhergehende Verbot für Asylwerber, Besucher zu empfangen – ist geeignet, negative Vorbildwirkung zu entfachen. Das ist nicht nur eine Einschränkung der Pressefreiheit, sondern verhindert auch die künftige Abschaffung unzumutbarer Zustände.