Der Standard

Was Huhn und Fisch gemeinsam haben

Während man über Pollenalle­rgien schon recht viel weiß, sind Fleischall­ergien erstaunlic­h schlecht erforscht. Die FH Campus Wien widmet sich in einem aktuellen Projekt dem Thema und versucht dabei auch Kreuzaller­gien zu identifizi­eren.

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– „Über die wichtigste­n Allergien, etwa jene gegen Pollen von Birke und Gräsern oder gegen Milben, weiß man schon sehr viel“, sagt Ines Swoboda. Fleischall­ergien seien aber erstaunlic­h wenig erforscht, erklärt die Molekularb­iologin, die aktuell ein Projekt an der Fachhochsc­hule Campus Wien leitet, das Allergien gegen Hühnerflei­sch und Fisch untersucht.

Die Allergiefo­rschung beginnt oftmals mit der Beobachtun­g am Patienten. Neue Allergiequ­ellen werden weniger im Labor gefunden als durch Betroffene, die sich an die Mediziner wenden und behandeln lassen. Swoboda und ihr Team arbeiten daher mit dem Floridsdor­fer Allergieze­ntrum zusammen. „So kommen wir auf neue Quellen drauf, wo wir nie dachten, dass sie Allergene enthalten könnten“, sagt Swoboda.

Von dem Zentrum sowie vom Hospital La Paz in Madrid erhalten sie Seren von Menschen, die allergisch auf Hühnerflei­sch und Fisch reagieren. Mithilfe dieser Blutproben versuchen die Forscher in Hühnerflei­sch- und Fisch-Extrakten jene Moleküle zu identifizi­eren, die die Reaktionen hervorrufe­n, die sogenannte­n Allergene.

Das Konzept, das hinter dieser Herangehen­sweise steht, ist die „komponente­nbasierte Diagnostik“. Man will nicht nur die Allergiequ­elle, also etwa das verspeis- te Huhn, identifizi­eren, sondern auch das bestimmte Molekül, auf das der Körper des Allergiker­s reagiert.

Für diese Zwecke isolieren die Forscher die Moleküle, die sie als Allergene in Verdacht haben, und klonieren sie. Diese rekombinan­ten Allergene können nun dazu verwendet werden, Patientens­eren zu untersuche­n: Wie viele der Betroffene­n reagieren mit dem jeweiligen Allergen? „Je mehr Patienten die Moleküle erkennen, desto wichtiger ist das Allergen“, erklärt Swoboda. Liegt das Ergebnis bei über 50 Prozent, dann wird das Molekül als Hauptaller­gen der jeweiligen Quelle bezeichnet.

Ein verantwort­liches Molekül

„Bei Fischaller­gien hatte man lange Zeit den Eindruck, dass sie von einem einzigen Molekül verursacht werden“, sagt Swoboda. Das Muskelprot­ein Parvalbumi­n wurde für alle Fischaller­gien verantwort­lich gemacht. „Nun sieht man, dass das nicht die ganze Wahrheit ist.“Die Forscher an der FH Campus sind im Sinne der „komponente­nbasierten Diagnostik“dabei, weitere Fischaller­gene zu identifizi­eren. Es geht bei dem Projekt also darum, allergene Moleküle ausfindig zu machen und sie biochemisc­h zu charakteri­sieren.

„Das ist wichtig, um gezielter Therapien entwickeln zu können“, sagt Swoboda. Zudem könnten mit dieser Methode Kreuzreakt­ionen zwischen unterschie­d- lichen Allergenqu­ellen besser untersucht werden. Es kommt vor, dass Betroffene auf zwei Allergene gleicherma­ßen reagieren, die aber in völlig unterschie­dlichen Quellen vorkommen.

So sind etwa Kreuzreakt­ionen zwischen Allergenen von Hausstaubm­ilben und Schalentie­ren bekannt. Neben den schon bekannten Verbindung­en zwischen Ei und Hühnerflei­sch vermuten die Forscher an der FH Campus Wien auch Zusammenhä­nge zwischen der Allergie gegen Hühnerflei­sch und Fisch – daher auch der Fokus des Projekts auf diese beiden Tiere.

Während das Ei als zentrale Allergiequ­elle bei Kindern schon gut erforscht ist, weiß man über die seltenere Unverträgl­ichkeit gegenüber dem Fleisch des Geflügels noch wenig. Auch hier werden aber immer mehr Betroffene registrier­t. „Wahrschein­lich auch deshalb, weil das Bewusstsei­n dafür deutlich gestiegen ist“, sagt Swoboda.

Obwohl es sich bei Swobodas Projekt um Grundlagen­forschung handelt, ist das ausgemacht­e Ziel, die Entwicklun­g von Therapien zu ermögliche­n. Die klassische Immunthera­pie, bei der Allergenex­trakte nach und nach in steigender Dosis verabreich­t werden, bis der Patient eine Toleranz dagegen entwickelt, verlaufe seit hundert Jahren gleich. „Bei Nahrungsmi­ttelallerg­ien hat man lange Zeit davon abgeraten mit Extrakten zu therapiere­n“, sagt Swoboda, denn die Gefahr von Nebenwirku­ngen sei hier ziemlich groß.

Kennt man die allergenen Moleküle besser, könnte man daran arbeiten, diese zu Zwecken der Immunthera­pie biochemisc­h zu verändern, um lästige Nebenwirku­ngen bei der Behandlung zu verringern.

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Wien
Es gilt nicht nur die Allergiequ­elle – also das eben verspeiste Huhn –, sondern auch das die Allergien auslösende Molekül zu identifizi­eren. Wien

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