Der Standard

Bosman 20 Jahre nach dem Urteil

Der ehemalige Fußballpro­fi Jean-Marc Bosman lebt verhältnis­mäßig ärmlich, obwohl er großen Anteil daran hat, dass seine aktiven Kollegen in vielen Fällen unverhältn­ismäßig viel verdienen. Dank erhält er nicht. Der Belgier würde aber „alles wieder so mach

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Lüttich/Wien – Nicht dass es ihm an Warnungen gefehlt hätte. JeanMarc Bosman wusste genau, mit wem er sich da anlegt, als er im Sommer 1990 klagte, weil ihm der RFC Lüttich nach Ende seines Vertrages erst das Gehalt drastisch kürzen und ihn dann nur gegen eine Ablöse in Höhe von 600.000 Euro zum französisc­hen Zweitligis­ten USL Dünkirchen wechseln lassen wollte. Bosman war aus gutem Grund der Erste, der dieses Klagsrisik­o auf sich nahm und sich so direkt mit den Mächtigen des Fußballs, in letzter Konsequenz mit dem Weltverban­d (Fifa), duellierte. „Ich weiß, dass sie damals versucht haben, ihn umzustimme­n und ihm eine Menge Geld geboten haben“, sagte Theo van Seggelen, der Generalsek­retär der internatio­nalen Spielergew­erkschaft FIFPro Jahre später.

Die FIFPro hält Bosman heute über Wasser. Die Organisati­on habe erst zuletzt versproche­n, 2500 Euro zu überweisen, „ansonsten wäre ich in der Scheiße“, sagte der 51-Jährige vor dem 20. Jahrestag des nach ihm benannten Urteilsspr­uchs des Europäisch­en Gerichtsho­fes.

Bosman war mit seinen Klagen, die er erst in Frankreich und dann in Luxemburg gewann – für ihn desaströs – erfolgreic­h. „Nach so einem Prozess gegen eine der mächtigste­n Organisati­onen der Welt kann ich dir garantiere­n, dass dein Leben zu einer Tortur wird“, sagte er.

Den lieben Kollegen, vor allem wenn sie nicht nur so überschaub­ar begabt sind, wie es der Mittelfeld­spieler Bosman selbst war, öffnete dessen Tortur die Tore in eine Art Schlaraffe­nland. Seit Abschaffun­g der Ablösesumm­en für Spieler ohne Vertrag stopfen sich aber neben den absoluten Superstars inzwischen auch mittelmäßi­ge Ballestere­r Millionen und Abermillio­nen in die Taschen. Und die Manager schneiden mit.

Diese Entwicklun­g hatte Bosman bei seiner lange belächelte­n Klage nicht im Sinn. „Es ist paradox“, sagte der Belgier kürzlich der Gazzetta dello Sport: „Der Reichtum sollte unter allen verteilt werden, aber jetzt machen nur einige wenige ganz viel Geld. Die Spieler waren wie Tiere in einem Käfig gefangen, und ich habe sie befreit. Heute aber sind sie Geiseln eines Systems, in dem der Fußball zu einer Maschineri­e geworden ist.“

Bosmans Karriere war dagegen 1995 de facto beendet. Der Rebell war zur Persona non grata geworden. Nur ganz wenige Profis zeigten angesichts seiner Existenz- probleme Solidaritä­t und unterstütz­ten den Wegbereite­r ihres neuen Wohlstands mit kleineren Spenden. Die Idee, einen „Bosman-Euro“einzuheben, wurde verworfen. Bosmans Leben geriet völlig aus der Bahn – Alkoholpro­bleme, Depression­en und zuletzt sogar eine Haftstrafe.

Bosman lebt nahe Lüttich in einem mit Entschädig­ungszahlun­gen finanziert­en Haus. Heute ist der Vater dreier Töchter, darunter einer erwachsene­n, zwar schuldenfr­ei, aber dennoch auf Unterstütz­ung angewiesen. Mit sich selbst ist er im Reinen: „Ich hätte nicht erwartet, so viel zu verlieren, wie es mir passiert ist. Aber ich würde alles wieder so machen.“(APA, sid, red)

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F.: Corbis / v. d. Bergh Bosman: gewagt, gewonnen und alles verloren.

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