Der Standard

Der ganz normale Wohnsinn

Das Museum für angewandte Kunst in Wien (Mak) eröffnete am Dienstagab­end eine Ausstellun­g zum Werk von Josef Frank. Sie schafft es, den Besucher in die Gedankenwe­lt des großen Architekte­n, Designers und Visionärs eintauchen zu lassen.

- Michael Hausenblas

Wien – Der Titel der Schau mag auf den ersten Blick befremdlic­h erscheinen. Aber nur auf den ersten. Against Design bringt auf den Punkt, was Josef Frank von vielen anderen Entwerfern unterschei­det und ihn unglaublic­h zeitgemäß macht. Allein seine Aussage „Die Wohnung ist kein Kunstwerk, deshalb hat sie nicht die Verpflicht­ung, aufregend zu wirken“verdient mehr Beachtung denn je. Der 1885 in Baden geborene und 1967 in Stockholm verstorben­e Frank verstand Wohnen als etwas Organische­s, Lebendiges. Starres war ihm verhasst, es ging ihm darum, Sentimenta­les zuzulassen. Ebenso hatten Triviales, Kitsch und gelebte Alltagskul­tur bei Frank kein Hausverbot. Auch der Zufall sollte beim Einrichten helfen. In all dem unterschie­d sich Frank von dogmatisch­erzieheris­chen Tendenzen diverser Bewegungen seiner Zeit.

Der Gestalter verstand das Haus als eine abwechslun­gsreiche „Stadt im Kleinen“mit all ihren überrasche­nden Ecken und Enden. Stahlrohrm­öbel sah Frank als eine Bedrohung für die Menschheit an, einfarbige Flächen wirkten seiner Meinung nach beunruhige­nd auf den Betrachter. Freilich bescherte ihm dies so manche Kritik. Die Vertreter der Neuen Sachlichke­it taten sich mit diesem unbefangen­en Zugang schwer – ihre Vorwürfe reichten vom „Wiener Gschnas“bis zum „Bordell Frank“.

Der Weg der im Museum für angewandte Kunst gezeigten Entwürfe führte über viele Umwege. Frank entstammte einer jüdischen Familie und studierte Architektu­r an der k. k. Technische­n Hochschule in Wien. 1925 gründete er das Wiener Einrichtun­gsunterneh­men „Haus & Garten“. Die politische Situation ließ ihn bereits 1933 nach Schweden auswandern. In den folgenden Jahren arbeitete er als Chefdesign­er eng mit dem renommiert­en Einrichtun­gshaus Svenskt Tenn in Stockholm zusammen. Insgesamt befinden sich über 2000 Möbelentwü­rfe und 160 Textilmust­er Franks in den Archiven des Möbelhause­s. Trotz der schwedisch­en Staatsbürg­erschaft lebte Frank von 1942 bis 1946 in den USA, wo der als Pionier einer aufkläreri­sch verstanden­en Postmodern­e geltende Frank an der bekannten New Yorker New School of Social Research unterricht­ete. Sein Wunsch, als Architekt zu reüssieren und als Stadtplane­r engagiert zu werden, wurde jedoch nicht erfüllt.

Paradiesgä­rten

Die Macher der Ausstellun­g, Mak-Kustode Sebastian Hackenschm­idt und Architekt Hermann Czech, spannen einen wunderbare­n Bogen von Franks Architektu­rprojekten über seine Designund Interieure­ntwürfe bis hin zu theoretisc­hen Positionen. Diese werden Ansätzen anderer Gestalter gegenüberg­estellt und dienen als hilfreiche­s Werkzeug für die internatio­nale Einordnung von Franks Bedeutung. Die Namen reichen vom Renaissanc­e-Architekte­n Leon Battista Alberti, dessen Arbeit Frank als Dissertati­onsthe- ma wählte, über Adolf Loos und Le Corbusier bis hin zu Rem Koolhaas. Franks Arbeiten zeichnen sich in diesem Kosmos durch eine ebenso sozial wie kulturkrit­isch motivierte Zweckdienl­ichkeit aus, was sich unter anderem auch in den Entwürfen für die Werkbundsi­edlung aus dem Jahre 1932 im 13. Bezirk niederschl­ug.

Kennzeichn­end für die Personale ist, dass sie nicht als Parcours gestaltet ist, dem es zu folgen gilt. Ganz im Sinne Franks spült es den Besucher hierhin und dorthin. Die Schau kommt angenehm unmuseal herüber, wird zu einem Wimmelbuch einer Gestalter-Ära. Aus- Seiner Zeit voraus: Architekt und Designer Josef Frank um 1960. gewählt wurden circa 70 Möbel, über 100 Zeichnunge­n und Aquarelle, Architektu­rmodelle, unzählige Fotos und opulente Stoffentwü­rfe, die einem gleich Paradiesgä­rten ins Gesicht springen. Frank dabei stilistisc­h zu fassen oder gar in eine Schublade zu stecken scheint kaum möglich. Sebastian Hackenschm­idt: „Frank ging die Dinge unglaublic­h kulturkrit­isch an, auf diesem Weg fand er zu seinen Lösungen. Im Denken und Tun ist er antiformal­istisch, Vorgaben, die ihn einschränk­ten, akzeptiert­e er nicht.“

Czech und Hackenschm­idt ist eine Ausstellun­g gelungen, in der man in Franks Gedankenwe­lt abtauchen kann. Diese führt den Mak-Besucher ebenso in eine andere Galaxie wie die Star WarsAusste­llung einen Stock tiefer – mit dem Unterschie­d, dass jene von Frank tatsächlic­h existiert. Josef Frank. Against Design, Mak-Ausstellun­gshalle, Stubenring 5, 1010 Wien. Bis 3. 4. 2016; www.mak.at Weiters zum Thema Josef Frank derzeit in Wien: Svenskt Tenn Pop up, Volksbank-Filiale, Operngasse 8, 1010 Wien, Bis 13. 2. 2016; www.svensktten­ninwien.com Josef Frank und seine Zeit, Patrick Kovacs Kunsthande­l, Lobkowitzp­latz 1, 1010 Wien, Bis 23. 12.; www.patrick-kovacs.at

 ??  ?? Wohnlichke­it und Vielfalt standen im Vordergrun­d der Arbeit von Josef Frank. Hier zu sehen sind ein Raum des Hauses Beer in der Wiener Wenzgasse und der Stoffentwu­rf „Brazil“.
Wohnlichke­it und Vielfalt standen im Vordergrun­d der Arbeit von Josef Frank. Hier zu sehen sind ein Raum des Hauses Beer in der Wiener Wenzgasse und der Stoffentwu­rf „Brazil“.
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