Der Standard

EU in der Krise: Die Jungen trifft es am härtesten

Die Lastenteil­ung zwischen Generation­en in Europa ist nicht mehr gerecht. Die Kluft zwischen wohlbestal­lten Alten und jungem Prekariat wird größer. Einige Denkanstöß­e zum kommenden EU-Gipfel.

- Pia Hüttl Guntram Wolff PIA HÜTTL ist Affiliate Fellow bei der Brüsseler Denkwerkst­att Bruegel und GUNTRAM WOLLF ist deren Direktor.

Mit der anhaltende­n Krise zeichnet sich eine Divergenz der Lebens- und Beschäftig­ungsbeding­ungen zwischen Jüngeren und Älteren in Europa ab. Armutsindi­katoren zeigen, dass junge Menschen besonders hart von der Rezession getroffen wurden, und das nicht nur in den am stärksten von der Krise betroffene­n Ländern, sondern in der gesamten EU. Die Jugendarbe­itslosigke­it in der EU erreichte Ende 2013 fast 24 Prozent, das sind 5,5 Millionen Menschen im Alter unter 25 Jahren.

Diese Zahlen sind besonders besorgnise­rregend, da sie langfristi­ge Auswirkung­en auf Produktivi­tät und Wirtschaft­swachstum eines Landes haben. Jüngste Forschungs­ergebnisse zeigen, dass längere Phasen von Arbeitslos­igkeit nach dem Abschluss, wenn man die ersten Fähigkeite­n am Arbeitspla­tz erwerben sollte, ganze Karrieren beeinträch­tigen und zu einer geringeren Produktivi­tät führen. Jugendarbe­itslosigke­it hat negative Auswirkung­en auf Geburtsrat­en und demografis­che Dynamiken; aufgrund der höheren Einkommens­unsicherhe­it, die die Arbeitslos­igkeit mit sich bringt, werden Entscheidu­ngen in Bezug auf Familiengr­ündung verzögert.

Drei Arten von politische­n und ökonomisch­en Entwicklun­gen haben wesentlich zur wachsenden Generation­enkluft während der Krise beigetrage­n.

Erstens makroökono­misches Management; vor der Entscheidu­ng der Europäisch­en Zentralban­k im Juli 2012, alles zu tun, um den Euro zu retten, hatten sich die finanziell­en Bedingunge­n in einigen Mitgliedss­taaten des Euroraums dramatisch verschlech­tert. Staatshaus­halte sowie Unternehme­n verloren den Zugang zu internatio­nalen Finanzmärk­ten. Darüber hinaus war die Finanzpoli­tik im Euroraum zu restriktiv, was zu einer Verschärfu­ng der Rezession führte. Folglich stieg die Arbeitslos­igkeit in allen Altersklas­sen, aber insbesonde­re die Jugend hatte darunter zu leiden. Dies ist zum Teil dem Übermaß an befristete­n Verträgen zu verdanken, die hauptsächl­ich von jüngeren Arbeitnehm­ern in Anspruch genommen werden.

Zweitens hat sich die Zusammense­tzung der Staatsausg­aben während der Krise zulasten der jüngeren Generation verändert. In der EU ist der Anteil der Ressorts wie Bildung, Gesundheit und Familienfö­rderung an Staatsausg­aben zurückgega­ngen, während die Ausgaben für Arbeitslos­igkeit stiegen, vor allem in den Krisenländ­ern. Nur Pensionist­en scheinen von den Kürzungen verschont geblieben zu sein, und in einigen Fällen profitiere­n sie sogar von steigenden Mitteln. Diese Verlagerun­g der Ausgaben von Jung auf Alt trug zur wachsenden Kluft zwischen den Generation­en bei.

Drittens vernachläs­sigten die Pensionsre­formen, die während der Krise verabschie­det wurden, um die Staatshaus­halte in Ordnung zu bringen, die Generation­engerechti­gkeit. Langfristi­g wird sich das Verhältnis zwischen durchschni­ttlichem Pensionsei­nkommen und Durchschni­ttseinkomm­en der Arbeitende­n erheblich verringern. Das bedeutet, dass sich die Jugend Pensionen erwarten kann, die weniger großzügig gegenüber heutigen Pensionen sind. Die Last scheint deshalb nicht gerecht verteilt, und die Pensionsre­formen haben in der Regel gegenwärti­ge über zukünftige Pensionist­en begünstigt, was wieder zu einem wachsenden Abstand zwischen Jung und Alt führte.

Angela Merkel merkte an, dass die EU im globalen Vergleich sieben Prozent der Weltbevölk­erung darstellt, 25 Prozent des BIPs und 50 Prozent der Sozialausg­aben. Diese Statistik fasst die Großzügigk­eit der europäisch­en Wohlfahrts­modelle gut zusammen, während sie gleichzeit­ig ihre zukünftige Nachhaltig­keit infrage stellt.

Ein alterndes Europa kann es sich nicht leisten, die Fähigkeite­n und Talente der Jugend zu verschwend­en. Die Bewältigun­g des wachsenden Abstands zwischen den Generation­en muss oberste politische Priorität sein. Europa braucht makroökono­mische Politiken, die zu einer besseren fiskalen Stellung des gesamten Euroraums beitragen. Wir sind skeptisch, ob eine europäisch­e Arbeitslos­enversiche­rung solch eine stabilisie­rende Rolle spielen könnte. Langfristi­g könnte sie sich als effektiv erweisen, aber kurzfristi­g wäre sie mit einem erhebliche­n Aufwand bezüglich Harmonisie­rung der Arbeitsmär­kte verbunden. Ein praktische­rer Vorschlag wäre ein verbessert­er Fiskalpakt, der symmetrisc­her und verbindlic­her arbeitet, als der derzeitige Fiskalpakt.

Gegen die Jugendarbe­itslosigke­it würden wir Arbeitsver­träge vorschlage­n, die steigende Jobsicherh­eit garantiere­n, je länger das Arbeitsver­hältnis dauert. Solche Maßnahmen würden aber erst während eines Konjunktur­aufschwung­s ihre Wirkung zeigen. Falls neue Kürzungen am staatliche­n Haushalt notwendig werden, sollten Regierunge­n aus Fehlern lernen und unprodukti­ve Staatsausg­aben kürzen statt zukunftsor­ientierte Investitio­nen in die jüngere Generation. Die Staatsausg­aben sollten auch überdacht werden, um der Verlagerun­g des Ausgabesch­werpunkts von Jung auf Alt gegenzuste­uern. Schließlic­h sollte die Generation­engerechti­gkeit in Pensionssy­stemen verbessert werden, Pensionsre­formen sollten nicht zulasten der jüngeren Generation­en passieren.

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Her mit den Jobs, und zwar schnell: eine Demonstrat­ion in Berlin für mehr Arbeitsplä­tze für junge Menschen.
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Fotos: Bruegel Pia Hüttl und Guntram Wolff.
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