Der Hunger als Waffe im syrischen Kriegsgebiet
Die Uno verlangt das Ende aller Belagerungen im Syrien-Konflikt, während ein humanitärer Konvoi die eingekesselte Stadt Madaya erreichte. Weitere Hilfe für die Menschen in dieser und in anderen Städten bleibt ungewiss.
In Syrien setzen die Kriegsparteien die Belagerung ganzer Städte als Waffe ein: Rund 15 Orte sind laut Uno momentan eingekesselt, etwa 400.000 Menschen sitzen in der Falle und warten verzweifelt auf Hilfe. Sie haben so gut wie nichts zu essen und keine medizinische Hilfe. Viele starben bereits. Insgesamt harren etwa 4,5 Millionen Menschen in Gebieten Syriens aus, die von Helfern nur schwer oder überhaupt nicht erreicht werden können.
Nachdem am Montag und Dienstag humanitäre Lieferungen in der belagerten Stadt Madaya 40 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Damaskus eingetroffen waren, appellierten die Vereinten Nationen am Dienstag an die syrischen Kriegsparteien: Beendet sofort alle mörderischen Belagerungen, lasst Lebensmittel und Medizin in die Städte!
Bruch des Völkerrechts
Der Sprecher des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen UNHCR, Adrian Edwards, betonte in Genf: „Mit dem systematischen Aushungern ganzer Ortschaften wird auf eklatante Art und Weise das Völkerrecht gebrochen.“Und der UNHCR-Bevollmächtigte in Damaskus, Sajjad Malik, machte klar: „So etwas darf in diesem Jahrhundert nicht mehr passieren.“
Montagabend hatten knapp 50 Lastwagen mit Hilfsgütern das von den Truppen des syrischen Machthabers Bashar al-Assad abgeriegelte Madaya erreicht – seit Oktober war die Stadt mit ihren rund 40.000 Einwohnern von Hilfstransporten abgeschnitten. Den Helfern bot sich ein „grauenhaftes, ein erschütterndes“Bild, wie UNHCR-Mann Malik berichtete: Hunger und Elend seien allgegenwärtig. Es gebe dort Menschen, aber „kein Leben“.
Die Trucks der Uno und des Roten Kreuzes sowie des SyrischArabischen Roten Halbmondes waren in der Hauptstadt Damas- kus gestartet. Mittlerweile haben sie den Ort nahe der Grenze zum Libanon wieder verlassen. Nach UNHCR-Angaben sollen in den nächsten Tagen zwei weitere Hilfskonvois in Madaya eintreffen.
Die Lieferungen könnten den Menschen das Überleben für ein bis zwei Monate sichern. Die Erlaubnis für darüber hinausgehende Konvois liege aber noch nicht vor, berichtet das UNHCR. „Wir müssen den Menschen aber langfristig helfen können“, verlangte der Bevollmächtigte Malik. Anderenfalls würden noch mehr Männer, Frauen und Kinder sterben.
Weitere Fahrzeuge mit Hilfsgütern trafen am Montag in den Städten Fouaa und Kefraya ein. Rebellen belagern die beiden Orte im Nordwesten Syriens, rund 20.000 Menschen sind dort eingeschlossen.
Belagerer und ihre Geiseln
Die Uno und Hilfsorganisationen hatten sich erst nach zähen Gesprächen mit dem Assad-Regime und der bewaffneten Opposition auf einen Zugang zu den drei Städten geeinigt. Das Motto: Hilfe für Menschen in Städten, die von Regierungstruppen belagert sind, muss mit Hilfe für Menschen in Städten, die von Rebellen belagert sind, erkauft werden – und umgekehrt. Anders ausgedrückt: Die Bewohner kann man de facto als Geiseln ihrer jeweiligen Belagerer betrachten.
Russland und die USA suchen in Sachen Syrien-Konflikt indes engeren Kontakt: Der russische Vizeaußenminister Gennadi Gatilow kündigte für heute, Mittwoch, ein Treffen mit Vertretern der USA und der Uno in der Schweiz an. Dabei soll es um das ewige Streitthema gehen, welche Gruppen neben dem „Islamischen Staat“(IS) als Terroristen gelten und bekämpft werden sollen.