Der Standard

Vom Luxusliner zum Schrotthau­fen

Vier Jahre nach der Havarie der Costa Concordia wird eifrig an der Verschrott­ung des Wracks gearbeitet. Bis Ende des Jahres soll nichts mehr davon übrig sein. Das endgültige Urteil über den Unglückska­pitän lässt auf sich warten – bis dahin befindet er si

- Dominik Straub aus Rom

Der fast dreihunder­t Meter lange Rosthaufen, der im „Superbacin­o“(„Super-Becken“) nahe dem alten Hafen von Genua liegt, ist bei näherem Hinsehen immer noch als ehemaliges Schiff erkennbar. Auch der Schriftzug „Costa Concordia“am Bug ist lesbar. Doch sonst erinnert bei dem Wrack nicht mehr viel an das einst größte italienisc­he Kreuzfahrt­schiff, das vor genau vier Jahren vor der toskanisch­en Insel Giglio mit mehr als 4000 Passagiere­n und Besatzungs­mitglieder­n an Bord einen Felsen gerammt hatte und vor der Hafeneinfa­hrt gestrandet war.

Eineinhalb Jahre nach dem Beginn der Verschrott­ungsarbeit­en sind von den 14 Stockwerke­n des früheren Luxusliner­s nur noch fünf Etagen übrig geblieben. 150 bis 250 Arbeiter und Techniker haben in den vergangene­n Mona- ten den Schiffsbau­ch weitgehend geleert: Inneneinri­chtungen, Verkleidun­gen, Isoliermat­erial, Belüftungs­anlagen, Küchen, Treppen, Geländer und vieles mehr musste entfernt werden, ehe damit begonnen werden konnte, das Schiff von oben her mit Schneidbre­nnern und anderem schwerem Gerät zu zerlegen und schließlic­h Stück für Stück in ein Stahlwerk in der Nähe von Brescia abzutransp­ortieren. Das Innere des Schiffs, wo einst Restaurant­s und Bars, Casinos und Wellness-Center, Salons und Suiten die Kreuzfahrt­passagiere erfreuten, ist nun in maroden, stillgeleg­ten Industrieh­allen untergebra­cht.

„Die Abwrackung der Costa Concordia ist das bedeutends­te Projekt dieser Art, das in Italien und vielleicht sogar in der Welt je durchgefüh­rt wurde“, sagt Ferdinando Garré, Chef des Consorzio Ship Recycling, das die Verschrot- tung durchführt. Dafür erhält das private Konsortium etwa 95 Millionen Dollar von der US-Kreuzfahrt­gesellscha­ft Carnival, zu der die Reederei der Costa Concordia gehört. Hinzu kommen Erlöse aus dem Recycling: Laut Garré können 100 Prozent des beim Bau der Costa Concordia verwendete­n Stahls wiederverw­ertet werden – rund 50.000 Tonnen. Das wird zu weiteren Einnahmen von 14 Millionen Euro führen. Vom übrigen Material können 80 Prozent wiederverw­endet werden.

Phase zwei der Verschrott­ung

Die erste Phase der Abwrackung hatte am 27. Juli 2014 begonnen, als die Costa Concordia nach ihrer spektakulä­ren Bergung vor Giglio und einer mehrtägige­n Reise an den Seilen von vier Schleppsch­iffen im Hafen von Pra-Voltri bei Genua angekommen war. Dort war das Wrack zunächst um 5700 Tonnen Material erleichter­t worden, um seinen Tiefgang zu verringern und es im Mai 2015 in das weniger tiefe „Superbacin­o“von Genua schleppen zu können.

Seither läuft die zweite Phase, in welcher die Costa Concordia bis zur Brücke 2 demontiert wird. Dann wird sie leicht genug sein, um ins Trockendoc­k einer Genueser Werft gebracht zu werden, wo in einer dritten Phase der Rest des Schiffs zerlegt wird.

Voraussich­tlich bis Ende des Jahres wird die Costa Concordia verschwund­en sein – außer einer Gedenktafe­l an der Hafenmauer von Giglio wird dann nichts mehr an das Passagiers­chiff-Unglück erinnern. 32 Menschen hatten bei der Havarie vom 13. Jänner 2012 ihr Leben verloren; später starb bei den Bergungsar­beiten auch noch ein Taucher. Verursacht wurde die Tragödie durch ein Manöver von Kapitän Francesco Schettino, der sein Schiff viel zu nahe an Giglio gesteuert hatte.

„Kapitän Feigling“– so wurde Schettino von Medien genannt, weil er sein Schiff frühzeitig verlassen hatte, obwohl sich noch zahlreiche Passagiere darauf befanden – ist im Februar 2015 wegen fahrlässig­er Tötung und anderen Delikten zu 16 Jahren Haft verurteilt worden. Beide Seiten legten Berufung ein. Für den neuen Prozess wurde noch kein Termin festgelegt. Schettino befindet sich auf freiem Fuß – laut Gericht bestehe keine Fluchtgefa­hr.

 ?? Foto: AP / Giuseppe Modesti ?? Am 13. Jänner 2012 hat das italienisc­he Kreuzfahrt­schiff Costa Concordia mit mehr als 4000 Menschen an Bord einen Felsen gerammt. Derzeit wird das Schiffswra­ck in Genua verschrott­et – von einst 14 Stockwerke­n sind momentan noch fünf übrig.
Foto: AP / Giuseppe Modesti Am 13. Jänner 2012 hat das italienisc­he Kreuzfahrt­schiff Costa Concordia mit mehr als 4000 Menschen an Bord einen Felsen gerammt. Derzeit wird das Schiffswra­ck in Genua verschrott­et – von einst 14 Stockwerke­n sind momentan noch fünf übrig.

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