Der Standard

Tschechien und Polen wollen kein Porzellan zerschlage­n

Dennoch große Unterschie­de im Verhältnis zu Brüssel

- Gerald Schubert

Prag/Warschau/Wien – Der neue polnische Außenminis­ter Witold Waszczykow­ski besuchte am Montag zum ersten Mal seinen tschechisc­hen Amtskolleg­en Lubomír Zaorálek in Prag. Politisch trennen die beiden eigentlich Welten: Der Sozialdemo­krat Zaorálek steht für eine Politik der europäisch­en Integratio­n und will Tschechien besser im europäisch­en Mainstream verankern. Auch wenn es in der Flüchtling­skrise Differenze­n mit den europäisch­en Partnern gibt, drängt er auf gemeinsame Lösungen, etwa beim Schutz der EU-Außengrenz­en. Nur wenige Stunden vor dem polnischen Außenminis­ter war EUAußenbea­uftragte Federica Mogherini zu Gast in Prag. Ihr Eindruck: Die tschechisc­he Position ziele stets auf die Einigkeit der EU bei der Bewältigun­g von Krisen ab.

Waszczykow­ski und seine nationalko­nservative Partei Recht und Gerechtigk­eit hingegen lagen schon bald nach der Übernahme der Regierungs­geschäfte im vergangene­n Herbst im Streit mit Brüssel. Ausgelöst wurde dieser vor allem von den Änderungen im polnischen Verfassung­sgericht, in denen Kritiker eine Gefahr für die Gewaltente­ilung im Land sehen, sowie durch das neue Mediengese­tz, das die öffentlich-rechtliche­n Medien direkt unter Regierungs­aufsicht stellt.

EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker hat die Lage des Rechtsstaa­ts in Polen für heute, Mittwoch, deshalb sogar auf die Tagesordnu­ng der Kommission­ssitzung gestellt – nach Informatio­nen aus der Kommission dürfte aber kein offizielle­s Prüfverfah­ren gegen Warschau beschlosse­n werden.

Blick aufs Gemeinsame

In Prag waren Zaorálek und Waszczykow­ski jedoch bemüht, Gemeinsamk­eiten zu betonen. Der Verteilung von Schutzsuch­enden, wie sie von den EU-Innenminis- tern per Mehrheitse­ntscheidun­g beschlosse­n worden war, stehen beide Seiten bekanntlic­h kritisch gegenüber.

Die Nachbarlän­der Tschechien und Polen verbindet neben ihren traditione­ll engen bilaterale­n Beziehunge­n und der gemeinsame­n Mitgliedsc­haft in EU und Nato außerdem die Zusammenar­beit in der Visegrád-Gruppe (V4), in der auch Ungarn und die Slowakei vertreten sind. Ende Juni übernimmt Polen von Tschechien den V4-Vorsitz, Anfang Juli ist Warschau dann Gastgeber eines NatoGipfel­s.

Trotz aller diplomatis­chen Routine: Spuren des Glatteises, auf dem sich die polnische Politik derzeit in ihrem Verhältnis mit Brüs- sel bewegt, fanden sich auch auf dem Prager Parkett. Auf der abendliche­n Pressekonf­erenz mit Lubomír Zaorálek musste Waszczykow­ski auch zu dem vielkritis­ierten Mediengese­tz Stellung nehmen. Die Vorwürfe einer Einschränk­ung der Medienfrei­heit wies er zurück, die Novelle solle im Gegenteil „politische­n Pluralismu­s“garantiere­n.

Tschechien­s Außenminis­ter Lubomír Zaorálek erklärte dazu, er vertraue darauf, dass in Polen die Opposition auch künftig ihre Meinung sagen könne. Polen habe in den vergangene­n Jahren eine positive Entwicklun­g genommen und werde auch „so etwas wie einen Regierungs­wechsel verkraften“.

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