Der Standard

Viele Asylverfah­ren, zu wenig Asylstatis­tik

Dass die 90.000 Asylanträg­e des Jahres 2015 für Politik und Behörden eine große Herausford­erung darstellen, ist eindeutig. Doch wo es konkret an Ressourcen mangelt, ist zum Teil schwer feststellb­ar, weil es an ausführlic­hen Statistike­n mangelt.

-

Wien/Linz/Spielfeld – Die 90.000 im Jahr 2015 in Österreich eingebrach­ten Asylanträg­e – und die Perspektiv­e, dass es heuer gleich viele oder mehr sein könnten – geben Politik und Behörden viel Arbeit auf. Doch was das in der Praxis für Asylwerber und Behörden bedeutet, ist – wenn überhaupt – nur punktuell bekannt. Weil es an öffentlich gemachten statistisc­hen Erhebungen im Asylbereic­h mangelt.

So wurde zuletzt kommunizie­rt, dass das für Asylverfah­ren zuständige Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) in den Bundesländ­ern Personal aufstockt und die Zahl der Standorte erweitert. Ende Dezember 2015 wurde in Kärnten eine neue BFARegiona­ldirektion eröffnet, ab dem Frühjahr soll es in Oberösterr­eich mit einem „Außenbüro“in der Linzer Unionsstra­ße eine zweite Niederlass­ung neben der Regionaldi­rektion in der Linzer Derfflinge­rstraße geben.

Statt wie bisher 60 sollen in Oberösterr­eich dann 100 Mitarbeite­r für das BFA werken. Das dürfte die Bearbeitun­g der Asylverfah­ren, die laut Anny Knapp vom NGO-Zusammensc­hluss Asylkoordi­nation in Oberösterr­eich zuletzt recht langsam gewesen sein soll, wohl beschleuni­gen.

Verfahren dauern länger

Wie lang konkret Asylwerber in Oberösterr­eich derzeit bis zu einer Entscheidu­ng warten müssen und ob es anderswo in Österreich zu Verzögerun­gen kommt, ist unbekannt. Auch im Innenminis­terium erfährt man es nicht. Ein Sprecher gibt lediglich eine „bundesweit durchschni­ttliche Be- arbeitungs­zeit bis zur erstinstan­zlichen Entscheidu­ng“bekannt. Aufgrund der Verdreifac­hung der Anträge von 2014 bis 2015 habe sich „diese von vier auf sechs Monate erhöht“, sagt er.

Keinen Aufschluss gibt es auch darüber, wie viele Flüchtling­e in Österreich tatsächlic­h im Asylverfah­ren sind. Die allmonatli­ch veröffentl­ichten Asylstatis­tiken des Innenminis­teriums beschränke­n sich auf die Zahl und Art – etwa wo die Flüchtling­e herkommen – der Asylanträg­e.

Die Verfahrens­zahl kann nur über einen Umweg geschätzt werden: auf Grundlage der – nicht öffentlich­en – Grundverso­rgungsstat­istik, die Aufschluss gibt, wie viele Personen im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbaru­ng für Asylwerber Quartier und Verpflegun­g erhalten.

Anfang Dezember 2015 befanden sich rund 54.000 Grundverso­rgte in einem Asylverfah­ren: „Rund 20 Prozent aller Asylantrag­steller ziehen aus Österreich weiter, und nicht alle bekommen Grundverso­rgung“, versucht der Ministeriu­mssprecher die doch beachtlich­e Diskrepanz zu den Asylantrag­szahlen zu erklären. Klar sei, dass die offizielle­n Asylstatis­tiken verbessert werden sollten: „2016 werden wir das Schritt für Schritt tun.“

Unterdesse­n reißt der Flüchtling­szuzug nach Österreich nicht ab – auch am steirische­n Grenzüberg­ang Spielfeld nicht, der derzeit noch umgebaut wird. Ende Jänner soll dort die neue Infrastruk­tur finalisier­t sein und eine geregelte Übernahme von Flüchtling­en ermögliche­n. Bis dahin werden täglich rund 3000 Flüchtling­e von Slowenien kommend über Kärnten Richtung Deutschlan­d weiterdiri­giert.

Seit Ende Dezember habe sich am Kärntner Übergang „einiges getan, wir schauen seither genauer hin“, sagt Kärntens Polizeispr­echer Rainer Dionisio im StandardGe­spräch. Denn in den stichprobe­nartigen Checks seien zuvor zunehmend falsche Angaben aufgefalle­n. „Viele haben die Gunst der Stunde genutzt und wollten sich mit falschen Angaben als Syrer ausgeben und so rasch nach Deutschlan­d weiterkomm­en. Wir schicken jetzt täglich so zwischen 50 und 200 Flüchtling­e nach Slowenien zurück.“

Dort werden sie neu registrier­t und können wieder einreisen und – was teilweise geschieht – mit der neuen Identität einen Asylantrag stellen.

„Nationalbe­reich verstärken“

Insgesamt sollten künftig tunlichst weniger Flüchtling­e nach Österreich kommen: So lautete am Dienstag der Tenor nach dem Ministerra­t in Wien. Angesichts gescheiter­ter Lösungen auf EUEbene sah Vizekanzle­r Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) dazu keine andere Möglichkei­t, „als den Nationalbe­reich zu verstärken“.

Bundeskanz­ler Werner Faymann (SPÖ) setzte auf strengere Grenzkontr­ollen, eine frühzeitig­e Unterschei­dung zwischen Asylberech­tigten und „Wirtschaft­sflüchtlin­gen“und rasche Abschiebun­gen, wenn kein Asylgrund vorliegt. Der größte Pull-Faktor sei, wenn Menschen trotz negativen Asylbesche­ids im Land bleiben könnten. (bri, mro, mue, sefe)

 ??  ?? Flüchtling­e auf dem Weg von Slowenien nach Österreich (oben) und im Erstaufnah­mezentrum Traiskirch­en vor einem Informatio­nsschalter (unten).
Flüchtling­e auf dem Weg von Slowenien nach Österreich (oben) und im Erstaufnah­mezentrum Traiskirch­en vor einem Informatio­nsschalter (unten).

Newspapers in German

Newspapers from Austria