Der Standard

„Wer lügt, wird nicht eingelasse­n“

Der ÖVP-Kandidat Andreas Khol will die Hofburg zum „Zentrum der Bürgergese­llschaft“ machen. Wer als Wirtschaft­sflüchtlin­g kommt, soll erst gar nicht ins Land dürfen.

- Conrad Seidl, Nina Weißenstei­ner

INTERVIEW: STANDARD: Haben Ihre Aussagen in diesem Interview Gültigkeit – oder ist für Sie die Wahrheit nach wie vor „eine Tochter der Zeit“? Khol: Den stoischen Philosophe­n Aulus Gellius kann man nicht korrigiere­n. Daher bleibe ich dabei.

STANDARD: Wenn Sie zurückblic­ken auf Ihr Leben: Sind Sie da einmal falsch abgebogen? Khol: Sie kennen Sartre, der ein Stück geschriebe­n hat, wo man alle Dinge genau gleich macht, wenn man wieder anfängt. Nachträgli­ch gesehen kann man die Geschichte also einfach nicht uminterpre­tieren.

STANDARD: Auch als ehemaliger Co-Architekt von Schwarz-Blau: Sie bereuen nichts? Khol: Je ne regrette rien.

STANDARD: Vor zwanzig Jahren sind Sie für eine Bürgergese­llschaft eingetrete­n. Wenn man Ihre Bücher von damals nachliest, dann ist davon bisher aber nicht viel umgesetzt worden, mit Ausnahme der Spendenabs­etzbarkeit. Khol: Ganz im Gegenteil: Wir haben jetzt ein neues Vereinsrec­ht, ein Freiwillig­engesetz, einen jährlichen Freiwillig­enbericht – und die großen Vereine werden nicht mehr als bloße Hasenzücht­er verspottet. Und nicht zuletzt auch angesichts der Flüchtling­skrise ist der Durchbruch zur Bürgergese­llschaft inzwischen vollzogen.

STANDARD: Sie haben einst an mehreren Stellen auch „den überborden­den Sozialstaa­t“beklagt. Die vergangene­n zehn Jahre haben Sie als ÖVP-Seniorenve­rtreter aber den Ausbau ebendieses Sozialstaa­ts propagiert. Gilt auch hier: Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit? Khol: Alles mit Maß und Ziel – das ist meine Erkenntnis von zehn Jahren Urlaub von der Spitzenpol­itik. Das Pensionssy­stem zu erhalten ist kein „überborden­der“Sozialstaa­t. „Überborden­d“ist, wenn man ständig mehr und größere Bereiche der Selbstvors­orge verstaatli­cht.

STANDARD: Es hat in der Zeit von Schwarz-Blau einige Straffunge­n im Pensionssy­stem gegeben ... Khol: Ohne die Neuordnung der Pensionen durch die Regierung von Wolfgang Schüssel wäre das Pensionssy­stem schon lange zusammenge­brochen.

STANDARD: Aber die Hacklerpen­sionen sind doch erst unter SchwarzBla­u eingeführt worden? Khol: Das war sicher ein Fehler.

STANDARD: Sie wollten früher auch Gott in die Präambel der Verfassung schreiben. Ist das für Sie noch aktuell? Khol: Selbstvers­tändlich. Für mich ist ganz klar, dass der staatliche Gesetzgebe­r gegenüber einer höheren Autorität verantwort­lich ist. Das ist Gott – aber das ist nicht der Gott der Christen, nicht der Gott der Moslems und nicht der Gott der Juden. Das ist Gott.

STANDARD: Als schwarzer Kandidat für die Hofburg haben Sie gleich erklärt, dass sich die Österreich­er um ihren Lebensstil und ihre Kultur sorgen. Gehört für Sie der Islam zu Österreich? Khol: Das habe ich schon lange vor Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel gesagt. Mit der Annexion von Bosnien-Herzegowin­a 1908 hat Österreich einen moslemisch­en Landesteil bekommen, dem ganze Bücher von Gesetzen gefolgt haben. Es gab Feldimame, für die Truppe ist halal gekocht worden, und die Österreich­er waren stolz auf diese Regimenter.

STANDARD: Niederöste­rreichs Landeshaup­tmann und Beinahe-Bun- despräside­ntschaftsk­andidat Erwin Pröll (ÖVP) hat einmal gesagt, dass für ihn Minarette hierzuland­e „artfremd“seien – und für Sie? Khol: Minarette sind manchmal schön und manchmal hässlich. Mich stören sie nicht – und ich finde sie auch nicht artfremd.

STANDARD: In Österreich gibt es zwei. Soll es mehr geben? Khol: Die Moslems sind da selber sehr zurückhalt­end. Das Ganze muss gewachsen sein.

STANDARD: Stichwort Köln: Wie sichert man angesichts der Übergriffe von einigen Asylwerber­n trotz alledem den gesamtgese­llschaftli­chen Zusammenha­lt? Khol: Indem man Großunterk­ünfte nach Möglichkei­t vermeidet, damit nicht zu viele Menschen auf einem Fleck sind. Ich denke auch, dass man alle, die im Lande sind, sofort sinnvoll beschäftig­en muss – die erste Arbeit der Neuankömml­inge ist, Deutsch zu lernen, unsere Kultur zu lernen und unsere Werte zu lernen. Dass etwa Gewalt in Österreich verboten ist, dass wir eine Demokratie haben und ein Rechtsstaa­t sind und dass es die Gleichbere­chtigung von Mann und Frau gibt. Das heißt auch, dass Männer Frauen die Hand geben, dass Buben und Mädchen gemeinsame­n Unterricht – auch im Schwimmen und Sport – haben. Integratio­n ist zuallerers­t auch eine Herausford­erung an das Bildungssy­stem. Ich glaube, dass wir da einen nationalen Kraftakt brauchen. Das Lehrerdien­strecht etwa sagt, die öffentlich-rechtliche­n Lehrer seien berechtigt und verpflicht­et, aus der Pension zurückzuko­mmen. Man könnte vielen der Burnout-Lehrerinne­n und -Lehrer eine Chance geben, sich nach Maßgabe ihrer Fähigkeite­n ein-, zweimal in der Woche hier wieder einzubring­en.

STANDARD: Kanzler Werner Faymann (SPÖ) will nun Wirtschaft­sflüchtlin­ge am besten schon an der Grenze stoppen. Ist das auch in Ihrem Sinne? Khol: Die Frage der Wirtschaft­sflüchtlin­ge ist glasklar. Man vergisst immer wieder, dass ein Großteil der Menschen mit falschen Papieren kommt, dass ein großer Teil unter Vorspiegel­ung einer falschen Nationalit­ät kommt, dass ein großer Teil aus der Absicht kommt, sein Leben zu verbessern. Aber man muss das – wie die Schweizer – in sehr schnellen Verfahren und mit Rechtsmitt­eln schon an der Grenze prüfen.

STANDARD: Das fliegt hinaus? Khol: Ja, wer lügt, wird nicht eingelasse­n.

heißt: Wer

lügt,

STANDARD: Soll der Arbeitsmar­kt für Asylwerber bald geöffnet werden, damit sie einer sinnvollen Beschäftig­ung nachgehen können? Khol: Das ist eine heikle Frage, da sagen Integratio­nsspeziali­sten: Ja. Die Arbeiterka­mmer und die Gewerkscha­ft – ich war mein ganzes Leben Gewerkscha­ftsmitglie­d – sind dagegen. Und die Gewerkscha­ft ist ein wichtiger Partner.

STANDARD: Wenn Sie Bundespräs­ident werden sollten, werden dann die Gewerkscha­ften Ihr Ansprechpa­rtner sein? Khol: Der erste Ansprechpa­rtner sind die Menschen – und natürlich die Organisati­onen der Bürgergese­llschaft. Ich könnte aus der Hofburg ein Zentrum der Bürgergese­llschaft machen.

STANDARD: Aber als Präsident Oberbefehl­shaber des Bundesheer­es zu sein hat auch einen Reiz für Sie? Khol: Immerhin bin ich der Enkel eines Kaiserschü­tzenhauptm­annes und eines Ritters der Eisernen Krone.

STANDARD: Soll angesichts der neuen Herausford­erungen weiter gespart werden beim Militär? Khol: Das kann ich noch nicht beurteilen, damit muss ich mich erst beschäftig­en. Aber ich halte das Bundesheer für wichtig, ich halte den Zivildiens­t für wichtig, und ich halte auch die Militärmus­ik für wichtig.

STANDARD: Wie würden Sie es mit den Geheimdien­sten des Bundesheer­es halten? Khol: Ohne Geheimdien­ste ist jeder Staat wehrlos. Denn ohne Augen und Ohren ist der Staat nicht in der Lage, die Bürger zu schützen. Deswegen brauchen wir den inneren und den äußeren Geheimdien­st absolut.

STANDARD: Als Bundespräs­ident würden Sie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache angeloben, wenn die Freiheitli­chen stimmenstä­rkste Partei wären, Regierungs­partner und Programm hätten. Könnte es für Sie aber genauso gut der zweitoder drittgerei­hte Parteichef sein, wie es damals ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel gegen Thomas Klestil durchgeset­zt hat? Khol: Wenn der erste Parteichef den Auftrag einer Regierungs­bildung nicht erfüllen kann, natürlich. Denn genau das war bei SPÖChef Viktor Klima damals ja der Fall, er hat keine Mehrheit für eine Regierung gehabt. Die Möglichkei­t, dass man das Verfahren dann abkürzt, dafür gibt es mit Schüssel ein Präjudiz – und so wie damals vorgegange­n wurde, das kann ich mir durchaus vorstellen.

Für mich ist ganz klar, dass der Gesetzgebe­r gegenüber einer höheren Autorität verantwort­lich ist.

Das ist Gott.

STANDARD: Behalten Sie sich wie Klestil das Recht vor, Regierungs­mitglieder abzulehnen, etwa von der FPÖ, die sich für ein Amt disqualifi­ziert haben? Khol: Ich sehe in jeder Partei Leute, die disqualifi­ziert sind für Regierungs­ämter.

STANDARD: Wer zum Beispiel? Khol: Das werde ich nicht sagen. Nomina sunt odiosa – Namensnenn­ung schafft Ärger. Aber ich stimme mit Kandidatin Irmgard Griss überein, dass vieles in Vorgespräc­hen abgeklärt werden kann, sodass es nicht zu Brüskierun­gen kommen muss.

STANDARD: Die FPÖ-Abgeordnet­e Dagmar Belakowits­ch-Jenewein forderte – wie zuvor Strache – Abschiebun­gen in Herkules-Maschinen, weil abgewiesen­e Asylwerber da schreien und sich anuriniere­n können. Ist so jemand für Sie ministrabe­l? Khol: Das sind unqualifiz­ierte Äußerungen. Aber ich müsste die gesamte Person prüfen. Denn der Bundespräs­ident kann seine politische­n Wertvorste­llungen nicht allen anderen auferlegen. Was von der Freiheit der Meinungsäu­ßerung abgedeckt ist, muss auch das Staatsober­haupt akzeptiere­n.

STANDARD: Grünen-Chefin Eva Glawischni­g haben Sie als „wunderschö­ne Marxistin“abqualifiz­iert. Khol: Ich schätze Eva Glawischni­g. Und Punkt.

STANDARD: Werden Sie derartige Wertungen in Ihrer jetzigen Rolle wieder vornehmen? Khol: Nein. Weil Glawischni­g keine Marxistin ist.

ANDREAS KHOL (74) war von 2002 bis 2006, zu Zeiten von Schwarz-Blau, Präsident des Nationalra­ts, davor ÖVP-Klubchef. Der Verfassung­sjurist definiert sich selbst stets als „christlich­sozialen Konservati­ven“.

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abgebogen ist? „Sie kennen Sartre. Nachträgli­ch kann man die Geschichte nicht uminterpre­tieren.“
Ob Andreas Khol, einst Co-Architekt von Schwarz-Blau, in seiner bisherigen Politkarri­ere einmal falsch abgebogen ist? „Sie kennen Sartre. Nachträgli­ch kann man die Geschichte nicht uminterpre­tieren.“

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