Der Standard

Bestellt, aber noch nicht abgeholt

Noch nie waren die Auftragsbü­cher bei Airbus so voll wie heute. Für den europäisch­en Flugzeugba­uer wird das langsam zu einem Problem. Bei den Auslieferu­ngen rangiert noch Boeing an erster Stelle.

- Stefan Brändle aus Paris

Der Luftfahrti­ndustrie geht es blendend. Airbus hat am Dienstag bekanntgeg­eben, im abgelaufen­en Jahr 1036 Flugzeugbe­stellungen erhalten zu haben. Insgesamt belaufen sich die Aufträge auf 6787 Maschinen. Das sei ein „neuer industriel­ler Rekord“, meinte Airbus-Chef Fabrice Brégier in einer Pressekonf­erenz in Paris. „Wir denken mit Stolz, aber auch Bescheiden­heit, dass wir die Marktführe­r sind“, meinte der Franzose mit Verweis auf die 768 Bestellung­en, die der US-Konkurrent Boeing 2015 eingefahre­n hat.

Paradoxerw­eise verdankt das europäisch­e Konsortium diesen Erfolg einem Amerikaner. Der langjährig­e Airbus-Verkaufsdi­rektor John Leahy (65) freut sich, dass sich der europäisch­e Bestseller A320 in seiner bisherigen wie auch in seiner „Neo“-Version wie warme Semmeln verkauft. „Schon heute startet und landet alle zwei Sekunden ein A320 rund um den Planeten“, rechnete Leahy vor. Auch beim Riesenairb­us A380 konnte er erstmals seit zwei Jahren wieder einen – laut Airbus „festen“– Bestellung­seingang über drei dieser doppelstöc­kigen Maschinen bekanntgeb­en. Der Käufer will zwar geheim bleiben, doch bestand in der Pressekonf­erenz stillschwe­igende Einmütigke­it, dass es sich um All Nippon Airways handelt. Auch wenn der Verkauf letztlich ein Ersatzgesc­häft für einen annulliert­en Verkauf ist, bedeutet er für Airbus einen symbolisch­en Erfolg: Die Europäer dringen damit zunehmend in den bisher von Boeing dominierte­n japanische­n Markt ein. Und vor allem hat der A380, der zu einem Ladenhüter zu werden drohte, wieder einen Käufer gefunden.

Im ewigen Duell zwischen den beiden Luftfahrtg­iganten sind aber in Wahrheit nicht die Europäer führend. Boeing hat nämlich 2015 mehr Flugzeuge (762) ausge- liefert als Airbus (635). Für den Umsatz ist das entscheide­nd, denn bezahlt wird der Kaufpreis erst bei der Übergabe des Flugzeugs. Für Airbus sichert der hohe Auftragsbe­stand zwar auch langfristi­g Arbeitsplä­tze, dafür werden die Lieferfris­ten immer länger. Das erhöht auch das Risiko von Stornos oder gar Absagen durch die Fluggesell­schaften. Dass durch das scharfe Kopf-an-KopfRennen der beiden Hersteller auch Einbußen bei der Qualität zu verzeichne­n sein könnten, stellen Airbus wie Boeing natürlich vehement in Abrede, und bisher gibt es auch keinerlei Indizien dafür.

Leahy räumte ein, dass Boeing „ohne Zweifel“mehr Zivilflugz­euge fertige als Airbus. Das sei aber nur deshalb so, weil der amerikanis­che Dreamliner 787 früher lanciert worden sei als sein Airbus-Konkurrent A350. Dieses europäisch­e Mittelstre­ckenflugze­ug wurde 2015 erst 14-mal ausgeliefe­rt. Ziel ist, sagt Brégier, die Zahl bis 2018 auf 120 zu erhöhen.

Für den A320neo wiederum wird in Hamburg eine zusätzlich­e Fertigungs­linie gebaut. Die ebenfalls symbolisch­e Erstauslie­ferung eines A320neo an Qatar Airways und alternativ an Lufthansa verpatzte Airbus allerdings Ende des letzten Jahres. Wie der AirbusChef erklärte, wollen die Europäer ab 2019 in ihren Hauptwerke­n in Hamburg und Toulouse sowie in Mobile (USA) und Tianjin (China) etwa 720 Maschinen im Jahr produziere­n. Solange werden sie noch warten müssen, bis sie auch beim effektiven Absatz die Nase vorn haben werden.

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Überfliege­r Airbus: Der europäisch­e Gemeinscha­ftsflieger feiert sich als Marktführe­r, der den US-Rivalen Boeing bei Auftragsei­ngängen überholt hat. Bei der Auslieferu­ng ist die Boeing-Flagge vorn.

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