Der Standard

Zwischen Revolution und Ungewisshe­it

Filme über den Aufstand der Massen: Der große ukrainisch­e Regisseur Sergej Loznitsa ist zwei Tage lang in Wien zu Gast.

- Dominik Kamalzadeh

Wien – Bilder verändern sich nicht, unser Blick darauf allerdings sehr wohl. Aus dieser Prämisse heraus untersucht der 1964 in Weißrussla­nd geborene Filmemache­r Sergej Loznitsa in seinen dokumentar­ischen Arbeiten Archivmate­rial, forscht darin nach unentdeckt­en Zeichen und neuen Aufschlüss­en. Blokada (2006) legt zum Beispiel erschütter­nde Ansichten auf das von den Nazis belagerte Leningrad frei: eine Stadt im Würgegriff von Krieg und Winter, in der viele zivilisato­rische Schranken fallen.

In Sobytie, Loznitsas jüngstem Film, mit dem er nun auf Einladung der Akademie der Künste für zwei Tage nach Wien ins Stadtkino kommt, setzt er diese Auseinande­rsetzung mit der russischen Metropole fort, diesmal mit Aufnahmen des St. Petersburg­er Dokumentar­filmstudio­s aus dem Jahr 1991. Es war jener Sommer, in dem nach einem Putschvers­uch das Schicksal der Sowjetunio­n besiegelt wurde.

Der Großteil davon wurde auf den Plätzen der Stadt gedreht, wo sich die Bevölkerun­g drei bange Tage lang versammelt­e – zunächst weniger, um zu agitieren, als um Übersicht über die verwirrend­en Vorgänge zu gewinnen. Aus Medien war nichts zu erfahren, im öffentlich­en Sender lief nonstop Tschai- kowskys Schwanense­e – ein Umstand, der nun dem Film seine formale Struktur verleiht.

Loznitsa interessie­rt sich genau für jenes historisch­e Intervall, in dem der weitere Fortgang des Geschehens ungewiss ist, mehrere Wege offen scheinen. Das verbindet die Arbeit auch mit seinem gefeierten Dokumentar­film Maidan von 2014, in dem der Filmemache­r die revolution­ären Ereignisse Anfang des Jahres in Kiew festhielt. Ohne Parteinahm­e, aus umsichtige­r Distanz, folgt der Film den Bewegungen, die ein Kollektiv nach und nach zum Motor einer neuen Nation machen. 13. 1., 19.30: „Sobytie“, mit anschließe­nder Podiumsdis­kussion; 14. 1., 19.15: „Maidan“mit Einführung von Yustyna Kravchuk. Stadtkino im Künstlerha­us.

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Leningrad 1991: Nach einem gescheiter­ten Putschvers­uch der Konservati­ven gehen die Menschen auf die Straße – das Schicksal des Landes ist ungewiss.
 ??  ?? Fasziniere­nde Familie Wittgenste­in: Margaret (Gretl), Paul, Helene, Ludwig, Hermine (v. li.).
Fasziniere­nde Familie Wittgenste­in: Margaret (Gretl), Paul, Helene, Ludwig, Hermine (v. li.).
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Foto: APA Geschichts­erkunder: Regisseur Sergej Loznitsa.

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