„Wir können nicht das Unheil der Welt schultern“
Österreich könne nicht das Unheil der ganzen Welt schultern, sagte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer in der ORF- Pressestunde zur Flüchtlingskrise. as behauptet auch niemand. Unter vernünftigen, mit einer Grundversorgung an Humanität versehenen Menschen kann man sich darauf einigen, dass ein unkontrollierter Zuzug von Hunderttausenden, von denen etwa die Hälfte eher Wirtschafts- als Kriegsflüchtlinge sind, nicht möglich ist.
Aber das Thema ist eigentlich ein anderes. Österreich und Europa sind Betroffene einer gewaltigen Explosion in unserer Nachbarschaft. Wir müssen damit umgehen lernen, und nicht nur indem wir den Flüchtlingsstrom halbwegs managen oder gar versuchen, uns in einer „Festung Europa“einzubunkern. Wir sind Mitbetroffene eines innerislamischen Bürgerkrieges, der zum dreißigjährigen Krieg werden könnte. Wenn er es nicht schon geworden ist.
Ein Halbmond der Gewalt zieht sich von Afghanistan über den Nahen Osten bis Syrien. Die Schule des „die Amerikaner mit ihren Interventionen sind schuld“liegt nur zu einem geringeren Teil richtig. Der wichtigere Grund für diese Kriege, Bürgerkriege, Massaker und die Terrorpest ist der, dass die muslimisch-arabische Welt mit der Moderne nicht fertigwird. Genauer mit der Rolle der Religion in dieser Welt.
Die arabisch-muslimische Welt blickt auf die Gegenwart und erkennt, dass sie einen riesigen Rückstand in Bezug auf Wohlstand, Bildung und
DEntwicklungschancen hat. Eine der Ursachen ist, dass die Hälfte der Bevölkerung, die Frauen, praktisch von der Teilhabe ausgeschlossen ist. Das stellte schon der „Arab human developement report“der UN im Jahr 2002 fest.
Die Reaktion darauf war aber vielerorts, das Erfolgsrezept des Westens – Aufklärung – noch intensiver abzulehnen und noch stärker das Heil in der Religion zu suchen. Worauf auch noch innermuslimische Kämpfe um den richtigen Weg ausbrachen und gleichzeitig der verhasste Westen mit Terror überzogen wurde.
Dagegen können wir uns nicht wirklich abschotten. Die Länder von der Türkei bis nach Zentralasien und am östlichen und südlichen Rand des Mittelmeeres und bis hinunter nach Westafrika sind mit Europa wirtschaftlich eng verbunden. Was dort geschieht, geht uns ganz heftig etwas an. Dort liegt, im Guten wie im Schrecklichen, unsere Zukunft.
Vor 25 Jahren war Osteuropa unser Raum der Herausforderung. Auch von dort gab/gibt es Zuwandererströme, die bewältigt werden. Trotz aller unguten Entwicklungen dort – es herrscht halbwegs Stabilität. Das gilt überhaupt nicht für den arabisch-muslimischen Raum. evor wir das nicht begriffen haben, bevor wir nicht anerkennen, dass gleich nebenan Feuer am Dach ist, sind wir psychologisch nicht in der Lage, über Lösungen nachzudenken. Ja, der Zustrom muss gedrosselt werden. Nein, das wird überhaupt nicht ausreichen.
Wir müssen nicht das Unheil der ganzen Welt schultern, wir müssen nur mit dem Feuer nebenan fertig werden. hans.rauscher@derStandard.at
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