Iran rechnet nach Ende der Sanktionen mit Milliardendeals
Airbus, Shell, Total planen Investitionen Kerry: Werden Atomdeal überwachen
Teheran/Wien – Kaum war der iranische Atomstreit in Wien durch US-Außenminister John Kerry, dessen iranischen Kollegen Mohammed Javad Zarif und die EUAußenbeauftragte Federica Mogherini für beendet erklärt, da standen internationale Investoren in Teheran bereits Schlange, um Geschäfte an Land zu ziehen.
Der iranische Präsident Hassan Rohani versicherte am Sonntag, der Iran strebe nach Frieden mit allen – und nach mehr Wohlstand: Schon für 2016 rechnet Rohani mit einem fünfprozentigen Wirtschaftswachstum, nicht zuletzt aufgrund der Investitionspläne von Öl-Unternehmen wie Shell und Total oder auch des Flugzeug- herstellers Airbus. Allerdings verhängten die USA schon am Sonntag neue bilaterale Sanktionen wegen der neuesten iranischen Raketentests.
An Israel richtete Kerry das Versprechen, die Einhaltung des Abkommens genauestens zu überwachen. US-Präsident Barack Obama lobte die „starke und weise“amerikanische Diplomatie. (red)
Am Schluss wurde es noch ordentlich spannend: Als die Iraner am Samstag ihre Jubelprognose „Heute werden die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben“auf ein „Wir bemühen uns“dämpften und der Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien auch am Abend weiter auf sich warten ließ, kamen Zweifel auf, ob da nicht etwas schiefläuft. Im IAEA-Bericht sollte stehen, dass der Iran alle technischen Voraussetzungen dafür erfüllt habe – oder eben nicht erfüllt habe –, dass der „Imple- mentation Day“, der Umsetzungstag, des im Juli abgeschlossenen Atomdeals verkündet werden kann: das Ende des Atomstreits mit dem Iran. Dazu waren die Außenminister der USA und des Iran, John Kerry und Mohammed Javad Zarif, nach Wien gereist, ebenso EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.
Das alles fand dann doch noch statt, aber anders als erwartet. Zuerst wurde ein iranisch-amerikanischer Deal auf einer ganz anderen Ebene bekanntgegeben: Fünf im Iran inhaftierte Amerikaner, darunter Jason Rezaian von der Washington Post, wurden freigelassen, ebenso sieben Iraner in den USA, die wegen Sanktionsverletzungen verurteilt oder angeklagt waren, weitere 14 US-Haftbefehle gegen Iraner wurden aufgehoben.
Danach ging es Schlag auf Schlag: IAEA-Generalsekretär Yukiya Amano präsentierte den Bericht, in dem die IAEA ihr Okay gab, und kurze Zeit später verlautbarte Kerry den „Implementation Day“sowie die Sanktionsaufhebung der USA, Mogherini jene vonseiten der EU.
In seinem Pressestatement Samstagnacht bemühte sich Kerry – eher vergeblich –, die Frage aufzulösen, in welcher Beziehung das glückliche Ende des Atomdeals zum Gefangenenaustausch stehe. Die Verhandlungsschienen hätten nichts miteinander zu tun gehabt, sagte er, aber fraglos seien die humanitären Gespräche besser gelaufen, je weiter die Atomgespräche gediehen seien.
Ein Geschenk für Obama
Für die US-Regierung von Barack Obama ist es ein großes Geschenk, dass sie die befreiten Amerikaner gemeinsam mit dem nun in Kraft getretenen JCPOA präsentieren kann, wie der Deal offiziell heißt („Joint Comprehensive Plan of Action“). Es wird die Kritiker – besonders die republikanischen Präsidentschaftskandidaten – nicht verstummen lassen, gegen die gleichzeitige Pardonierung der Iraner wird bereits gewettert. Aber die US-Staatsbürger waren am Sonntag auf dem Weg nach Hause, als lebendiger Beweis, dass sich ein konstruktives Verhältnis mit Teheran lohnt.
Für die IAEA – eine unabhängige, technische Agentur, die bei Umsetzung und Verifizierung des JCPOA eine große Rolle spielt – ist der Eindruck aber weniger günstig, dass ihr Zeitplan mit Rücksicht auf die Inszenierung gestaltet war. Allerdings hieß es, dass es auch noch Diskussionen über technische Details gegeben habe – nicht über die Frage, ob der Iran alle Bedingungen erfüllt habe oder nicht, sondern wie einige im JCPOA festgelegte Maßnahmen für die Zukunft umzusetzen seien.
In seinem Statement betonte Kerry in Richtung der JCPOA-Kritiker, dass sich der Iran nun mehr als zwei Jahre buchstabengetreu an alle Vereinbarungen gehalten habe, und arbeitete noch einmal die Vorteile des Deals heraus: Der Iran habe zwei Drittel seiner Urananreicherungszentrifugen eingemottet, 98 Prozent seiner Bestände an angereichertem Uran aufgegeben, den Kern des Schwerwasserreaktors (und potenziellen Lieferanten von waffenfähigem Plutonium) in Arak außer Funktion gesetzt und seine gesamte Uranproduktionskette strengen IAEAInspektionen unterworfen. „Der Iran hat Schritte gesetzt, die viele – und ich meine: viele – nie für möglich gehalten hätten“, sagte Kerry. pPorträt Jason Rezaian