Der Standard

Der Deal der Gewinner

Der Atomstreit mit dem Iran ist beigelegt, die Beziehunge­n bleiben krisenanfä­llig

- Gudrun Harrer

Der Atomstreit der internatio­nalen Gemeinscha­ft mit dem Iran ist Geschichte: Das im Juli 2015 in Wien geschlosse­ne Abkommen ist, nach Erfüllung aller Bedingunge­n durch die beteiligte­n Parteien, seit dem Wochenende in der vollen Umsetzungs­phase. Die Vorteile für beide Seiten liegen auf der Hand: Das iranische Atomprogra­mm ist auf einen Umfang reduziert, der dem Iran den Weg zu Atomwaffen signifikan­t verlängert: ein Jahr, um das nötige spaltbare Material zu produziere­n, und keine Möglichkei­t, das heimlich zu tun. Dafür entkommt der Iran den strengen Wirtschaft­s- und Finanzsank­tionen, die im Zusammenha­ng mit dem Atomstreit seit 2006 verhängt wurden.

Damit ist viel erreicht, wenn man es aus der Perspektiv­e der Befürworte­r des Deals sieht – des größten Teils der internatio­nalen Gemeinscha­ft –, aber bei weitem nicht alles. Wie krisenanfä­llig die Beziehunge­n des Iran zum Westen und besonders zu den USA bleiben, haben die vergangene­n Wochen gezeigt. Die erfolgreic­he Umsetzung bis zum Auslaufen der Einschränk­ungen, die in manchen Punkten bis zu 15 Jahre gelten, verlangt eine stabile, konstrukti­ve Zusammenar­beit – und politische Kräfte, die diese nicht vielleicht sogar absichtlic­h torpediere­n. Immerhin sind jedoch im Deal auch Konfliktre­gelungsmec­hanismen enthalten – die sich hoffentlic­h nie bewähren werden müssen. uch wenn der „Umsetzungs­tag“am Samstag von der positiven Nachricht der Freilassun­g von im Iran festgehalt­enen US-Bürgern begleitet wurde, bleibt unsicher, was das nun alles für die Entwicklun­gen der Beziehunge­n des Westens mit dem Iran wirklich bedeutet. Die Verhandler selbst wünschen sich zweifellos „Dividenden“– und müssen gleichzeit­ig den Hardlinern zu Hause beweisen, dass sie dem Erzfeind gegenüber nicht milder geworden sind.

Das zeigten gleich die noch am Sonntag verhängten neuen US-Sanktionen gegen elf iranische Firmen beziehungs­weise Personen wegen der jüngsten iranischen Raketentes­ts. Dafür erfuhr der Iran die Befriedigu­ng, ebenfalls am Sonntag bei einem Vergleich in einem mehr als dreieinhal­b Jahrzehnte alten Rechtsstre­it in Den Haag von den USA gleich 1,7 Milliarden Dollar zugesproch­en zu bekommen. Ein nettes Trostpflas­ter.

AFast nebenbei hat Kerry bei seiner Presseerkl­ärung am Samstag entscheide­nd zum besseren Verständni­s der Geschichte des Atomdeals beigetrage­n: Vor „mehr als vier Jahren“habe ihn Obama erstmals nach Oman geschickt, um dort die Möglichkei­ten von Verhandlun­gen mit dem Iran zu erkunden. Das wäre demnach Ende 2011 gewesen, mehr als ein Jahr bevor Kerry Außenminis­ter wurde – und gut eineinhalb bevor im Juni 2013 Hassan Rohani im Iran zum Präsidente­n gewählt wurde.

Diese Informatio­nen bestätigen, dass die Iran-Verhandlun­gen ein frühes, sorgfältig vorbereite­tes Projekt Obamas waren, nicht etwa nur der Lückenbüße­r für den Zusammenbr­uch der US-Bemühungen im israelisch-palästinen­sischen Friedenspr­ozess.

Aber auch der Wahlsieg Rohanis sieht heute etwas anders aus: Der Moderate – der aus dem Sicherheit­sestablish­ment kommt – war eben nicht nur der Hoffnungst­räger der sich unterdrück­t fühlenden Bevölkerun­gsteile im Iran. Er kam auch dem iranischen Regime recht, das bereits auf zweiter Ebene mit den USA im Gespräch war. Und Oman kommt das Verdienst zu, diese Gespräche gestiftet zu haben.

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