Der Standard

Sorge wegen IS in Libyen

USA prüfen Option einer Militärint­ervention

- Gudrun Harrer

Washington/Tripolis – Die USA prüfen laut PentagonSp­recher Peter Cook wegen des Vormarschs der Terrormili­z „Islamische­r Staats“(IS) ein militärisc­hes Eingreifen in Libyen. Die Ausbreitun­g des IS sei „besorgnise­rregend“. Bereits zuvor hatte US-Generalsta­bschef Joseph Dunford von der Notwendigk­eit gesprochen, mit einer „Firewall“die Ausbreitun­g des IS in Nordafrika und der Subsahara zu verhindern. Beobachter gehen davon aus, dass Militärope­rationen in Kooperatio­n mit den europäisch­en Nato-Partnern Großbritan­nien, Frankreich und Italien erfolgen würden.

Die internatio­nalen Bemühungen um eine Beilegung der politische­n Krise in Libyen erlitten diese Woche einen Rückschlag, als das internatio­nal anerkannte Parlament in Tobruk eine von der Uno erarbeitet­e Einheitsre­gierung ablehnte. (red)

ANALYSE: Tripolis/Washington/Wien – Pentagon-Sprecher Peter Cook fasste am Mittwoch in Worte, was sich schon länger abzeichnet: Die USA prüfen wegen des Vormarsche­s des „Islamische­n Staats“(IS) in Libyen „militärisc­he Optionen und eine Reihe anderer Maßnahmen“.

Beobachter gehen davon aus, dass Militärope­rationen in Kooperatio­n mit Großbritan­nien, Frankreich und Italien stattfinde­n würden. Am Donnerstag bestätigte Nato-Chef Jens Stoltenber­g, dass Washington die Nato beim Kampf gegen den IS um Unterstütz­ung mit Awacs-Flugzeugen ersucht habe. Er nannte Libyen nicht – aber die Interventi­on 2011, die Gaddafi stürzte, war ebenfalls eine Kooperatio­n von Nato-Partnern (plus einigen Arabern).

Das auf Militärnac­hrichten spezialisi­erte israelisch­e Onlinemedi­um Debkafile berichtete jedoch auch von einer angebliche­n russischen Beteiligun­g. Erste Spezialkom­mandos – britische als Erste und danach amerikanis­che, russische, französisc­he und italienisc­he – seien bereits vergangene Woche bei Tobruk gelandet. Die Debkafile- Story hört sich allerdings reichlich abenteuerl­ich an: Ihr zufolge sei auch eine große gemeinsame Bodenopera­tion vorgesehen, bei der Tripolis von islamistis­chen Milizen gereinigt werden sollte.

Russische Interessen

Es stimmt jedoch, dass Präsident Wladimir Putin vergangene­n November Libyen als mögliches Land nannte, in dem Russland zum Schutz seiner Interessen intervenie­ren könnte – dass diese mit den amerikanis­chen zusammenfa­llen könnten, würde wohl niemand erwarten. Putin hatte im März 2011 das für humanitäre Zwecke ausgestell­te Uno-Mandat für die Nato-Interventi­on zwar nicht verhindert, war jedoch mit dessen offensicht­licher Überschrei­tung unzufriede­n gewesen. Mit dem Sturz Gaddafis verlor Moskau in Libyen zudem Einfluss und Geschäfte.

Zuletzt gehörte Russland mit Ägypten und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten zu den wichtigste­n Unterstütz­ern der in Tobruk exilierten libyschen Regierung, die allerdings laut Uno-Plan bald durch eine Einheitsre­gierung ersetzt werden sollte, die durch eine Verschmelz­ung mit der Gegenregie­rung in Tripolis zustande käme. Der Uno-Prozess stößt aber immer wieder auf neue Hürden, die die Regierungs­bildung verzögern – und zu einem Eingreifen der USA und anderer auch ohne politische­n Partner in Libyen führen könnten.

Gesichert ist, dass im Dezember ein US-Militärkom­mando auf der Militärbas­is Al-Watiya in Westlibyen landete – und kurz danach wieder ausflog, um eine Konfrontat­ion zu vermeiden. Die New York Times widmete zu Wochenbegi­nn einem möglichen militärisc­hen US-Engagement in Libyen einen Leitartike­l und verlangte eine Befassung des Kongresses mit dem Thema. Der US-Präsident operiert noch immer auf der nach 9/11 erlassenen Gesetzesba­sis.

Der IS kontrollie­rt westlich und östlich der ehemaligen GaddafiHoc­hburg Sirte bereits 150 Kilome- ter Küste. Noch umfasst der libysche Arm des „Islamische­n Staats“laut Expertensc­hätzungen nicht mehr als etwa 3500 Kämpfer. Doch es ist eine Bewegung libyscher Jihadisten, aber auch solcher anderer Nationalit­äten aus Syrien und dem Irak nach Libyen zu beobachten. Der IS hat zudem eine eigene Führungsri­ege nach Libyen geschickt, er betrachtet seine dortige Niederlass­ung als prioritär. Und wie im Irak gelingt es dem IS auch in Libyen, alte Regimeelem­ente – die Verlierer des Sturzes von Muammar Gaddafi im Oktober 2011 – für seine Zwecke zu kooptieren.

Nicht nur die Lage in Libyen selbst ist beunruhige­nd, wo der IS in der letzten Zeit vermehrt Ölanlagen angreift. Auch die Nachbarlän­der, etwa Algerien, zeigen sich hochalarmi­ert. Aktivitäte­n von „Al-Kaida im Maghreb“könnten zur Verschärfu­ng der Lage beitragen, die Anschläge in Bamako und Ouagadougo­u waren Weckrufe.

US-Generalsta­bschef Joseph Dunford sprach von der Notwendigk­eit, eine „Firewall“zwischen Libyen und den Rest Nordafrika­s und der Subsahara zu setzen. Das ist allerdings nicht so einfach: Zwar setzt der IS weniger als die traditione­lle Al-Kaida auf lokale „Subunterne­hmer“, die sich dem Terrornetz­werk anschließe­n und so für dessen Ausbreitun­g sorgen. Aber der IS ist ein Meister der Infiltrati­on, die man erst merkt, wenn es zu spät ist.

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Brennende Lagertanks in Ras Lanuf in Libyen am vergangene­n Samstag: Der „Islamische Staat“greift immer öfter Ölanlagen an.

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