Der Standard

„Es gibt auch ein anderes Wien“

Im Jahr 2012 wurde der frühere SPÖ-Abgeordnet­e Albrecht Konečný am Rande der Anti-Burschensc­hafter-Demo verprügelt. Er erklärt, warum er trotzdem weiter demonstrie­ren geht.

- Maria Sterkl

INTERVIEW:

Standard: Manche kritisiere­n, die Demos rücken den Akademiker­ball erst ins Rampenlich­t. Sie auch? Konečný: Das Recht von Menschen, sich zu treffen, stelle ich nicht infrage. Aber es ist ein Skandal, dass das in einem Gebäude der Republik stattfinde­t. Es geht um Symbole: Man soll auf die Straße gehen und zeigen, dass es auch ein anderes Wien gibt.

Standard: Was prägt Ihren Antifaschi­smus? Konečný: Als mein Vater sich im Zweiten Weltkrieg von Krakau aus meldete, fuhr meine Mutter mit der Bahn zu ihm. Da ist sie an einem KZ-Transport vorbeigeko­mmen. Menschen haben nach Brot und Wasser geschrien. Das hat sie mir sehr detaillier­t erzählt.

Standard: Viele sagen: Wir sind später geboren und tragen keine Verantwort­ung. Zu Recht? Konečný: Sicher nicht. Die Jungen haben das nicht erlebt. Aber ihre Familien haben ihnen vermutlich auch nichts erzählt. Antifaschi­smus ist die Verteidigu­ng einer gewissen Humanität, gegen Strukturen, die Menschengr­uppen ausgrenzen. Ob sich dabei jemand zu Hitler bekennt oder nicht, ist eher bedeutungs­los.

Standard: Was hat das mit dem Ball zu tun? Konečný: Er ist eine Sammelstel­le für solche Menschen. Da sind genügend dabei, die mehr von dem wissen, was damals geschah. Es gibt in Wien Nazidynast­ien in dritter Generation.

Standard: Muss Europa sich vor einem neuen Faschismus fürchten? Konečný: Dass Menschen Parteien zulaufen, die extrem ausländeru­nd sozialstaa­tsfeindlic­h sind, ist bedrohlich.

ALBRECHT KONEČNÝ (73) war SP-Abgeordnet­er zum Nationalra­t, Bundesrat und zum Europäisch­en Parlament. pderStanda­rd. at/Inland

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Foto: Christian Fischer Albrecht Konečný warnt vor „Nazidynast­ien“.

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