Wenn Politik-Erfahrung zum Manko wird
Das Problem mit Donald Trump würde sich von selbst erledigen, glaubten republikanische Strategen lange. Doch der Tag der Vorwahl in Iowa rückt näher – von Verlusten bei Trump war bisher kaum zu berichten. Dafür rücken Strategen und Eliten selbst in den Fo
An Selbstvertrauen hat es Donald Trump noch nie gefehlt, doch inzwischen hat es schwindelerregende Höhen erklommen. Neulich hat er gesagt, er könnte sich mitten auf die Fifth Avenue in Manhattan stellen und jemanden erschießen und würde dennoch keine Wählerstimme verlieren. Das Verrückte daran ist, dass es kaum einen gab, der widersprach. Kurz vor dem Vorwahlstart in Iowa führt er das Feld der republikanischen Bewerber mit deutlichem Vorsprung an.
Sicher, noch immer kann das Szenario eintreten, mit dem die konventionelle Weisheit seit Monaten rechnet. Sobald es ans Abstimmen geht, orakeln die alten Strategen, platzt die Trump-Blase. Irgendwann werde der Clown den Ring verlassen, bezwungen von einem Kontrahenten mit Ausdauer und Substanz, Jeb Bush, Marco Rubio, wem auch immer.
Nur: Bisher hat sich dieses Szenario als Wunschdenken erwiesen. Was andere zu Fall gebracht hätte, perlt an Trump ab. Ausgerechnet er, der Milliardär aus New York, hat es geschafft, zum Anführer einer Protestbewegung zu werden, die sich voll Wut im Bauch abkehrt von einer Elite, von der sie sich im Stich gelassen fühlt.
Das konservative Establishment hat den Schuldenberg um mehrere Billionen Dollar anwachsen lassen, es hat Soldaten in nicht zu gewinnende Kriege geschickt, und als George W. Bush restlos entzau- bert war, hat er indirekt Barack Obama, dem Anti-Bush, den Weg ins Weiße Haus geebnet. So ungefähr lässt sich die Bestandsaufnahme vieler frustrierter Basiskonservativer zusammenfassen. Was einen Bewerber einst qualifizierte, etwa Erfahrung, disqualifiziert ihn heute, weil es ihn zum Teil des Establishments stempelt.
Sehnsucht nach dem Simplen
Trump lebt von der Sehnsucht nach schlichten Rezepten, von der Angst weißer Amerikaner vor demografischem Wandel, von der Verunsicherung, die viele, bis weit in die Mittelschicht, gegenüber der Globalisierung empfinden.
Bei den Demokraten ist es Bernie Sanders, der vom Außenseiter-Vorteil profitiert. Dabei ist der 74-Jährige das Gegenteil eines politischen Quereinsteigers. Seit 1991 sitzt er im Kongress, wo er lang als gutmütiger Exzentriker galt, schon weil er den Zwergstaat Vermont vertritt. Vermont ist aus der Perspektive New Yorks, Atlantas oder Houstons praktisch schon Kanada. Eine Art Insel, deren Sprecher, der demokratische Sozialist Bernie Sanders, skandinavische Verhältnisse anstrebt.
Mittlerweile hat der Außenseiter die Koordinaten der Debatte eindeutig nach links verschoben. Seit den Achtzigerjahren ist er der erste Demokrat von Rang, der für höhere Steuern ist. Historiker sehen eine Rückkehr zu Franklin D. Roosevelts New Deal, einen Bruch mit dem pragmatischen Ansatz Bill Clintons, der die Mitte besetzte – woran auch Barack Obama festhielt. Nun ist es Hillary Clinton, die jene Praktikerin gibt, die aus langer Erfahrung weiß, was sich an schönen Ideen durchsetzen lässt und was nicht.
Die Seele der Partei aber wärmt sich an ihrem Rivalen, der so wie Trump von der Ernüchterung über Eliten profitiert, nur dass es in diesem Fall Eliten des Geldes sind. Kein Zweiter steht so überzeugend für den seit der Krise 2008 schwelenden Ärger wie Sanders, der immer schon strenge Regeln für die Wall Street forderte.