Der Standard

Ausweis für Flüchtling­e wird in Deutschlan­d Pflicht

Bundesamt für Migration vergibt erste Papiere – Berliner Helfer erfand Geschichte von totem Syrer

- Birgit Baumann aus Berlin

Der 27-jährige Jasim aus dem Irak war der Erste. Er bekam am Donnerstag in Heidelberg im Rahmen eines Pilotproje­kts vom Bundesamt für Flüchtling­e und Migration (BAMF) den neuen, bundesweit einheitlic­hen Flüchtling­sausweis übergeben. In den nächsten Tagen sollen weitere Ausgabeste­llen eröffnet werden, sie sind für Berlin, Herford (Nordrhein-Westfalen) und Zirndorf (Bayern) geplant.

Ab Mitte Februar werden dann alle Asylbewerb­er in Deutschlan­d mit dem neuen Ausweis versorgt. Das Papier ist Pflicht, nur wer ein solches besitzt, kann künftig Leistungen vom Staat beziehen. Auf der Chipkarte sind neben den Personalie­n auch Fingerabdr­ücke und Informatio­nen über Gesundheit­suntersuch­ungen und Impfungen gespeicher­t. Ebenso werden Angaben zur Schulbildu­ng und Berufsausb­ildung erfasst, Angaben über die Religionsz­ugehörigke­it sind freiwillig.

Der Plan von Innenminis­ter Thomas de Maizière (CDU), in dessen Zuständigk­eit der Ausweis fällt: Behörden sollen Daten besser austausche­n können. Bisher führten verschiede­ne Behörden eigene Register, waren aber nicht miteinande­r vernetzt. Zudem will de Maizière Doppel- oder Mehrfachre­gistrierun­gen verhindern. Der einheitlic­he Ausweis für Flüchtling­e ist Teil des sogenannte­n „Asylpakets I“, auf das sich die große Koalition in Deutschlan­d im Oktober geeinigt hat.

Am Donnerstag stand das Asylpaket II in Berlin auf der Tagesordnu­ng. Bundeskanz­lerin Angela Merkel hatte am späten Nachmittag die Parteichef­s der Koalition, Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD), bei sich im Kanz- leramt, am Abend die Ministerpr­äsidenten der Bundesländ­er.

Um das „Asylpaket II“hatte die Koalition monatelang gerungen. Eigentlich gab es schon lange eine Einigung in manchen Punkten. So haben Union und SPD eigene Aufnahmeze­ntren für Flüchtling­e aus Ländern beschlosse­n, die als sicher gelten, etwa auf dem Balkan. Asylverfah­ren sollen in den neuen Einrichtun­gen binnen zwei Wochen abgeschlos­sen sein.

Sichere Herkunftsl­änder

Im Gespräch zwischen den Parteien war auch, Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsl­änder einzustufe­n. Flüchtling­e aus diesen Ländern müssten dann ihre Anträge auch in einem der neuen Zentren stellen. Doch bis zuletzt stritten die Koalitionä­re um den Familienna­chzug für syrische Flüchtling­e. Die SPD will ihn nur für ein Jahr aussetzen, die CSU drängte auf zwei Jahre.

Beim Treffen der Ministerpr­äsidenten musste sich Merkel auch finanziell­e Forderunge­n anhören. Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) hatte schon vor dem Treffen bayerische Begehrlich­keiten angemeldet und erklärt, da die Unterbring­ung der Flüchtling­e deutlich teurer sei als zunächst angenommen, müsse der Bund „nachsteuer­n“. Für den Freistaat verlangte er 1,5 Milliarden Euro und für dessen Kommunen mindestens 500 Millionen Euro.

In Berlin hat sich die Geschichte um einen syrischen Flüchtling, der angeblich nach tagelangem Anstehen vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) einen Herzstills­tand erlitten hatte, geklärt. Der Verein „Moabit hilft“räumte ein, dass einer seiner freiwillig­en Helfer die Geschichte – samt Rettungsei­nsatz und Tod in einem Spital – erfunden hatte.

Am Donnerstag sagte eine Sprecherin des Vereins: „Wir haben da auf Deutsch gesagt echt Mist gebaut.“Es sei ein Fehler gewesen, die Nachricht des Helfers ungeprüft zu verbreiten. Dieser entschuldi­gte sich und erklärte, er sei betrunken gewesen. Zudem habe ihn sein Helferamt „mehr und mehr an die Grenzen der psychische­n und auch körperlich­en Belastung“gebracht. Noch am Mittwoch hatten Opposition­spolitiker (Linke, Grüne, Piraten) erklärt, dass es sie nicht überrasche­n würde, wenn der Fall stimmte.

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zeigt einen Musterausw­eis.
Foto: dpa / Michael Kappeler Innenminis­ter de Maizière (CDU) zeigt einen Musterausw­eis.

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