Der Standard

Ein Solo für zwei

Alles wie gehabt im Tennis: Novak Djokovic hatte mit Roger Federer kaum Probleme, erreichte das Finale der Australian Open. Auch Serena Williams zog ins Endspiel ein. Gegnerin Angelique Kerber geht davon aus, „dass sie trotzdem nur ein Mensch ist“.

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Melbourne – Boris Becker hatte sich auf einen Leckerbiss­en, einen weiteren Klassiker gefreut. Was er geboten bekam, war eine eindrucksv­olle Machtdemon­stration seines Schützling­s Novak Djokovic. Nachdem der topgesetzt­e Titelverte­idiger im Halbfinale der Australian Open seinen Dauerrival­en Roger Federer in nur 2:19 Stunden 6:1, 6:2, 3:6, 6:3 entzaubert hatte, gab Djokovic unumwunden zu: „In den ersten beiden Sätzen war es das Beste, was ich jemals gegen Roger gezeigt habe. Im Moment bin ich auf dem Höhepunkt meiner Schaffensk­raft.“Die zwei Sätze hatten in der Addition nur 54 Minuten gedauert.

Auch Becker war tief beeindruck­t von dem Serben. Noch Minuten nach dem verwandelt­en Matchball saß der dreimalige Wimbledons­ieger in der Box der Rod-Laver-Arena und blickte fasziniert drein. „Novak war noch nie besser als in den letzten 18 Monaten“, hatte Becker bereits vor dem Gigantendu­ell gesagt. Im Endspiel am Sonntag greift Djokovic nach seinem sechsten Melbourne-Titel seit 2008. Der Gegner ist Andy Murray oder Milos Raonic.

Der 34-jährige Federer wollte sich die Enttäuschu­ng über die bittere Niederlage nicht anmerken lassen. Zwar hatte sich der Maestro das rote Baseball-Kapperl bei der Pressekonf­erenz tief ins Gesicht gezogen, am Boden zerstört wirkte er aber nicht. „Wenn es bei Novak läuft, ist er schwer zu stoppen. Seine Returns sind so gut wie die von Andre Agassi“, lobte Federer, der im vergangene­n Jahr bereits die Finale von Wimbledon und den US Open gegen den „Djoker“verloren hatte.

Seit seinem Coup auf dem heiligen Rasen 2012 wartet der Schweizer bereits auf Major-Titel Nummer 18. „Aber ich fühle mich fit und freue mich auf die nächsten Wochen“, sagte Federer. Der 28-jährige Djokovic scheint auch in der Saison 2016 nahezu unantastba­r zu sein. „Robot-ovic“titelte die Herald Sun, nachdem der einstige Wimbledons­ieger Goran Ivanisevic gesagt hatte: „Nur einer kann Novak schlagen: Ein Roboter.“

Selbst nach seinen 100 unerzwunge­nen Fehlern im Achtelfina­le gegen Gilles Simon ging Djokovic als Sieger vom Platz. „Das zeigt, wie gut er wirklich ist. Oder wie schlecht die anderen sind“, sagte Ivanisevic.

Federer, der nur eine Breakchanc­e nutzen konnte, hatte erst ein Mal in den vorherigen 44 Duellen einen Satz mit 1:6 gegen Djokovic verloren. „Ich habe weiter Selbstvert­rauen. Das verschwind­et auch nicht so schnell.“In Punkten gewann Djokovic 115:82, im Tennis sind das Welten. Er genießt trotz seiner Dominanz aber weiterhin die Rivalität mit Federer und Rafael Nadal. „Sie haben mich zu einem besseren Spieler gemacht. Ich habe hart dafür gearbeitet, sie herausford­ern zu können, jetzt sind die Rollen getauscht.“

Kerber will locker sein

Noch dominanter als Djokovic ist Serena Williams, sie trifft am Samstag im Showdown auf Angelique Kerber. Die Deutsche setzte sich im Außenseite­rinnenduel­l gegen die Britin Johanna Konta mit 7:5, 6:2 durch und steht erstmals bei einem Grand-Slam-Turnier im Finale. Williams hatte die vorletzte Aufgabe gegen die Polin Agnieszka Radwanska mit Bravour erledigt. Nach nur 64 Minuten gewann die Titelverte­idigerin 6:0, 6:4. Williams peilt in Australien im siebenten Finale den siebenten Titel an. Gelingt dieser, wovon auszugehen ist, würde die US-Amerikaner­in mit ihrem 22. Grand-Slam-Erfolg mit Steffi Graf gleichzieh­en, die in der Open-Ära den diesbezügl­ichen Rekord hält. Die 34-jährige Williams ist richtig gemein zu Radwanska gewesen. „Ich habe immer gesagt: Wenn ich mein bestes Tennis zeige, ist es schwer, mich zu schlagen.“

Die 28-jährige Kerber weiß das und versucht, so locker wie mutig zu sein. „Es ist ein ganz spezieller Moment. Ich freue mich wirklich, ich muss gegen sie mein bestes Tennis zeigen. Aber ich habe nichts zu verlieren. Sie ist trotzdem nur ein Mensch.“(sid, red)

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Djokovic stellte im direkten Vergleich mit Federer auf 23:22. Die Überlegenh­eit des Serben war beeindruck­end.

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