Rau, körnig und unscharf sollte sie sein, die Fotografie im Magazin „Provoke“: Die Albertina wirft umfassende Blicke auf ein wegweisendes Fotoprojekt im Japan der ausgehenden 1960er-Jahre.
Wien – Man schoss aus der Hüfte oder aus dem fahrenden Auto; man pfiff auf den goldenen Schnitt und ebene Horizontlinien oder entsagte mitunter gleich ganz der Illusion, dass Oben und Unten respektive Vorder- und Hintergrund noch länger voneinander zu unterscheiden seien: „Are“, „bure“und „boke“– rau, körnig und unscharf – so lauteten die Kampfbegriffe, die sich das japanische Kollektiv Provoke auf die Fahnen schrieb, als es Ende der 1960er-Jahre das gleichnamige Fotomagazin herausgab.
In drei Ausgaben, erschienen zwischen 1968 und 1969, huldigte man einem zersplitterten, ja zer- rütteten Blick auf die Wirklichkeit, der vor allem eines sein sollte: ein Gegenentwurf zur schönen, heilen Welt der Werbeindustrie und zum Fotojournalismus, der sich immer noch „objektive“Blicke anmaßte.
So klar die Stoßrichtung war, so heterogen sind die Ansätze, die im Magazin Provoke vertreten sind. Takuma Nakahira steuerte etwa dystopische, beunruhigende Nachtaufnahmen bei. Yutaka Takanashi, selbst erfolgreich als Werbefotograf, verhältnismäßig beruhigte, analytische Blicke auf die sozialen Umbrüche im Tokio der Nachkriegszeit. Daido Moriyamas an Andy Warhol erinnernde Bilder von Massenware aus dem Supermarkt sind seriellen Nahaufnahmen von Gesichtern gegenübergestellt. Texte machen indes klar, dass man die Fotografie nicht länger unhinterfragt als objektives Medium hinnehmen wollte. Indem man Bilder fotografierte, sollte die Materialität des Mediums spürbar gemacht werden.
Einblicke in das Magazin Provoke erhält man in jener Ausstellung, die die Albertina dem wegweisenden Unterfangen nun ausgerichtet hat. Die Schau macht allerdings nicht bei den Hauptprotagonisten des Kollektivs halt.