Der Standard

Der Flüchtling als Chance

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Immer häufiger erleben wir das Aufkommen eines Politikert­yps außerhalb des ultrarecht­en Lagers – wo selektiver Ausländerh­ass schon immer zum Programm gehörte –, der in der Not von Flüchtling­en seine Chance erkennt, sich in einer Schärfe zu profiliere­n, wie ihm das im politische­n Alltag von einst nicht möglich gewesen wäre. Er/Sie hat den Flüchtling als eine Chance erkannt, sich den Ruf von Rettern ihrer Landsleute aus einer angeblich unmittelba­r bevorstehe­nden nationalen Katastroph­e zu erschleich­en, statt in einer schwierige­n Situation zu Besonnenhe­it zu mahnen und entspreche­nd zu handeln. Dass sie damit auch die Tatsache verschleie­rn, ein sich lange abzeichnen­des Problem erst viel zu spät erkannt und von Anfang an falsch reagiert zu haben, ist ein Zusatznutz­en. ber statt dem Flüchtling für diese Profilieru­ngschance mittelmäßi­ger politische­r Existenzen dankbar zu sein, soll er für alles, was er zu Hause zurücklass­en musste, am Ort seiner erhofften Rettung noch einmal bestraft werden, wenn nötig entgegen allen Konvention­en. Ausgerechn­et Dänemark – wer hätte das vor kurzem noch vermutet? – installier­t ein gesetzlich­es Raubritter­tum, das es erlaubt, Flüchtling­e zu durchsuche­n und ihnen Geld und Wertgegens­tände über einem Wert von 1340 Euro abzunehmen. Die zuständige Integratio­nsminister­in hätte die Grenze lieber schon viel tiefer, bei ungefähr 400 Euro gezogen, aber so viel Popularitä­tszuwachs wollten ihr die anderen Parteien dann vielleicht doch nicht gönnen.

AEs ist etwas faul, aber leider nicht nur im Staate Dänemark, sondern europaweit, und Österreich ist keine Ausnahme. In Oberösterr­eich soll auf Initiative von Schwarz und Blau die Mindestsic­herung für anerkannte Flüchtling­e um zwei Drittel gekürzt werden, und in anderen Bundesländ­ern hängen gleichgesi­nnte Politiker schon in den Startlöche­rn, dem oberösterr­eichischen Beispiel zu folgen. Ein begeistert­er Reinhold Lopatka, ÖVPKlubche­f, erklärt das Vorgehen geradezu für „richtungsw­eisend“, er will auch die Mindestsic­herung für Mehrkindfa­milien mit maximal 1500 Euro monatlich deckeln. n Wien hält die SPÖ noch dagegen, aber schon der burgenländ­ische Sozialland­esrat Norbert Darabos kann sich vorstellen, mit den Plänen von Schwarz-Blau in Oberösterr­eich mitzuziehe­n. Es trifft ja nur die Ärmsten, aber was soll’s, wenn sie anders nicht begreifen, dass Flüchtling­e in Österreich unerwünsch­t sind, dann muss es eben so gehen. Dass all diese Anbiederun­gsversuche im Vorfeld eines Präsidents­chaftswahl­kampfes rechtlich äußerst umstritten sind, ist den volkstümli­chen Sparmeiste­rn ebenso egal wie den Erfindern der Obergrenze von 37.500 die Möglichkei­t, dieselbe auch zu gewährleis­ten, wenn einer mehr sie überschrei­tet. Ob das alles vor einem Höchstgeri­cht Bestand hat, ist zwar äußerst zweifelhaf­t, aber man kann sich nicht um alles kümmern, wenn es gilt, sonstiges Unvermögen durch Popularitä­tshaschere­i zulasten Unschuldig­er zu kaschieren.

Nur die Innenminis­terin legt angeblich keinen Wert darauf, beliebt zu sein. Die diesbezügl­iche Gefahr war bisher nicht sehr groß, aber als selbsterna­nnte Zuchtmeist­erin Resteuropa­s darf sie hoffen.

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