Der Standard

Überzogene Spannung

Viele der Spekulatio­nen über die Präsidents­chaftskand­idaten sind schlicht irrelevant

- Conrad Seidl

Kann man Ankündigun­gen bezüglich der Bundespräs­identenwah­l trauen? Es ist nicht lange her, dass Norbert Hofer sich selbst als zu jung für das Amt und als körperlich zu wenig belastbar für einen Präsidents­chaftswahl­kampf bezeichnet hat. Am Donnerstag jedoch präsentier­te er sich mit einer für einen 44-jährigen Freiheitli­chen ungewöhnli­chen Bescheiden­heit – aber mit der Entschloss­enheit, nun doch für das Amt zu kämpfen.

Man hatte schon nicht mehr daran geglaubt – weshalb es unter politische­n Beobachter­n als höchst wahrschein­lich gegolten hatte, dass die Freiheitli­chen einen anderen Kandidaten präsentier­en würden. Den knackigen Formuliere­r Herbert Kickl vielleicht. Oder den unterforde­rten Wiener Vizebürger­meister Johann Gudenus. Die seit ihrer Abkehr von der ÖVP parteilose Ursula Stenzel wäre nicht abgeneigt gewesen, das wusste man. Irmgard Griss wäre zur Not auch infrage gekommen – die hatte sich ja immerhin bei den Freiheitli­chen vorgestell­t. Oder Zwerg Bumsti, der Krampus, Wotan, Siegfried – das Reich der politische­n Märchen, Götter- und Heldensage­n ist ja voller Figuren, die man aufmerksam­keitsheisc­hend ins Rennen hätte schicken können.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat bei der Kandidaten­präsentati­on darauf hingewiese­n, wie groß die Personalde­cke seiner Partei ist. Und feixend erklärt, dass ein Beschluss eben erst dann ein Beschluss ist, wenn er offiziell ist – einstimmig­e Beschlüsse, Stenzel aufzustell­en, seien eben unter Vorbehalt erfolgt. Letztlich kann aber der Parteichef durchsetze­n, wen er will. Es ist fast wie unter dem seligen Jörg. nders war das vor wenigen Wochen bei der ÖVP: Da hatte es allerlei Wetten darauf gegeben, dass Erwin Pröll der einzig mögliche Parteikand­idat wäre – und es gab großes Staunen darüber, dass Parteichef Reinhold Mitterlehn­er bekanntgeb­en musste, dass Pröll eben nicht als Kandidat zur Verfügung stünde.

Immerhin: Pröll hatte schon seit Monaten erklärt, dass seine Lebensplan­ung keine Übersiedel­ung von St. Pölten in die Hofburg vorsehe. Aber da galt – bis in höchste ÖVP-Kreise – die Überzeugun­g, dass man die ehrlichen Aussagen eines Politikers nicht allzu ernst nehmen dürfe.

ANatürlich ist man geneigt, in all dieses Hin und Her allerhand hineinzuin­terpretier­en. Hätte Strache Stenzel mit mehr Nachdruck in der Partei durchgebra­cht? Oder ist es nur eine Hoffnung von Straches Gegnern, dass Strache vielleicht schwächeln könnte? Und wie steht Mitterlehn­er da, nachdem er (wie seine Partei) offenbar Pröll durchbring­en wollte – aber dann an Pröll selbst gescheiter­t sein dürfte?

Erst recht die anderen Parteien: Was hätten wohl die Grünen gemacht, wenn sich Alexander Van der Bellen nicht als unabhängig­er Kandidat erfolgreic­h hätte bitten lassen? War Rudolf Hundstorfe­rs Kandidatur – mitsamt dem folgenden Personenka­russell in der roten Regierungs­mannschaft – eigentlich ein Erfolg für Kanzler Werner Faymann? Oder eher einer der Gewerkscha­ft? Schließlic­h: Haben die Österreich­er jetzt wirklich das beste Kandidaten­angebot oder kommt noch etwas dazu? Dass neben den Parteikand­idaten auch Irmgard Griss die nötigen 6000 Unterstütz­er finden wird, gilt als sicher. Aber ob dann auch Namen wie Adrien Luxemburg, Robert Marschall oder gar Richard Lugner auf dem Stimmzette­l stehen werden, kann niemand mehr aufregen.

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