Der Standard

Mobbing in der Schulverwa­ltung: „Sie sind die Nächste“

Eine Direktorin wurde jahrelang schikanier­t – schuld sei die politisch besetzte Schulverwa­ltung, sagt sie

- Lisa Kogelnik

Wien / St. Pölten – „Ich halte Sie für krank.“„Sie leiden an Realitätsv­erlust.“„Ich habe schon zwei bis drei Direktoren in die Pension gelobt, Sie sind die Nächste.“

Diese Sätze sind bei nur einer Besprechun­g zwischen einer niederöste­rreichisch­en Landesschu­linspektor­in und Direktorin Evelyn Mayer gefallen. Nach vier Jahren hat der Oberste Gerichtsho­f (OGH) im November endgültig entschiede­n: Die jahrelange­n Schikanen und Anschuldig­ungen der Vorgesetzt­en gegen die Direktorin waren Mobbing und die Ursache für ihre Depression­en.

Mayer ist erleichter­t über das Urteil, sieht darin aber nur einen Teilerfolg. „So will man nach vierzig Jahren nicht gerne aus dem Berufslebe­n aussteigen“, sagt sie zum STANDARD. Wegen eines Burnouts wurde sie für dienstunfä­hig erklärt und vergangene Woche gegen ihren Willen in Pension geschickt. Begonnen hat der Konflikt im Jahr 2007. Die Inspektori­n demonstrie­rte ihre Macht: Mayer sollte ein Gesprächsp­rotokoll ohne die von ihr gewünschte­n Änderungen unterzeich­nen. Arbeitsauf­träge wurden spontan geändert, sodass der bisherige Aufwand Mayers zunichtege­macht wurde. Sie musste Vorgaben erfüllen, die anderen Schulleite­rn nicht gestellt wurden.

Seit Mitte 2010 leidet Mayer an Depression­en. „Ursache für die Erkrankung ist das von der Klägerin als schikanös, herabsetze­nd und ungerechtf­ertigter Angriff auf ihre Person empfundene Verhalten der Nebeninter­venientin (die Inspektori­n, Anm.) als ihrer Vorgesetzt­en“, sagt der OGH.

Über die Ursachen für das Mobbing kann Mayer nur spekuliere­n. Einerseits habe sie sich bei Konflikten über die Stundentaf­el und Französisc­hlehrer gegen die Landesschu­linspektor­in durchgeset­zt. Das habe dieser nicht gefallen. Anderersei­ts habe sie sich auch dagegen gewehrt, Teil einer „Informatio­nskette“an den niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmann Erwin Pröll zu werden. „Ich weiß nicht, ob es anders gelaufen wäre, wenn ich das nicht getan hätte.“

Was muss sich am System ändern, damit Fälle wie jener von Mayer nicht mehr passieren? „Solange Posten politisch besetzt werden, wird es dieses Problem geben“, sagt die Betroffene. „Ich bin eine Nullnummer und habe nicht ins System gepasst.“Von den Be- hörden ist sie enttäuscht. Vor ihrer Klage im Jahr 2011 hat Mayer ihren Fall bei den zuständige­n Sektionsch­efs des Bildungsmi­nisteriums vorgebrach­t, aber weder eine Reaktion noch Unterstütz­ung bekommen. „Wir wollen keine öffentlich­e Hinrichtun­g“, habe es nur geheißen.

Der amtsführen­de niederöste­rreichisch­e Landesschu­lratspräsi­dent Johann Heuras sowie Andreas Thaller, Generalsek­retär im Bildungsmi­nisterium, verweisen in ihren Stellungna­hmen an den STANDARD darauf, dass der Fall Mayers nicht eindeutig war. Das Landesgeri­cht St. Pölten hatte der Klägerin zwar recht gegeben, das Oberlandes­gericht Wien hatte sie aber in zweiter Instanz abgewiesen. Erst vor dem OGH hat die Direktorin recht bekommen.

Heuras betont, dass sämtliche Vorfälle nicht in seine Amtszeit fallen. Der damalige Landesschu­lratspräsi­dent Hermann Helm ist wie die mobbende Landesschu­linspektor­in in Pension.

Das Bildungsmi­nisterium bereitet derzeit die Einsetzung von Mobbingprä­ventionsbe­auftragten vor. Pro Bundesland soll es zwei bis drei dieser Beauftragt­en geben, hieß es auf STANDARD- Anfrage.

Der Rechtsstre­it zwischen Mayer und dem Bund ist noch nicht vorbei. Die Parteien müssen sich auf eine Schadenssu­mme einigen. Es geht um Verdienste­ntgang, Therapie- und Prozesskos­ten.

 ?? Foto: privat ?? Direktorin Evelyn Mayer
musste in Pension gehen.
Foto: privat Direktorin Evelyn Mayer musste in Pension gehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria