Der Standard

Junge Flüchtling­e ohne Ausbildung und Privatsphä­re

Die Lebensbedi­ngungen für unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e in Österreich sind desolat: eine Folge der Massenfluc­ht, wie in einer am Mittwoch präsentier­ten Studie der Bundesjuge­ndvertretu­ng erstmals erhoben wurde. Noch 2013 war die Lage besser.

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Wien – Es ist eine relativ kleine Studie, mit 66 – und damit recht wenig – Befragten. Wegen ihres Fokus auf den Osten des Bundesgebi­ets ist sie nicht repräsenta­tiv.

Aber die von der Bundesjuge­ndvertretu­ng am Mittwoch präsentier­te Untersuchu­ng ist die erste Studie zur Lebenssitu­ation unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling­e (UMF) in Österreich seit Einsetzen der Massenfluc­ht im vergangene­n Spätsommer. Und sie stellt eine Realität dar, die Heinz Fronek, Mitarbeite­r des Diakonie Flüchtling­sdienstes und Mitverfass­er einer Reihe von Expertisen sowie Büchern zur Situation von UMFs seit den 1990er-Jahren, eine „im Vergleich zu vor zwei, drei Jahren massive Verschlech­terung der Lebensbedi­ngungen dieser Jugendlich­en“, dokumentie­rt.

Noch 2013, so Fronek, sei „österreich­weit sichergest­ellt gewesen, dass UMFs, mit Ausnahme einer relativ kleinen Gruppe Jugendlich­er im Lager Traiskirch­en, Deutschkur­se, eine klare Tagesstruk­tur durch Schule oder Aus- bildung sowie einen gesetzlich­en Vormund hatten“.

Ganz anders die Lage Ende 2015. Laut der zwischen 22. November und 10. Dezember erhobenen Studie gingen 55 Prozent der befragten 13- bis 22-Jährigen (die mit einbezogen­en über 18-Jährigen kamen ursprüngli­ch als UMFs nach Österreich) aus mehrheitli­ch Afghanista­n, Syrien und Somalia in keine Schule, Lehre oder andere Ausbildung. 24 Prozent hatten „noch nie“einen Deutschkur­s besucht.

35 Prozent lebten zum Zeitpunkt der Befragung in den Erstaufnah­mestellen Traiskirch­en und Erdberg. Zwölf Prozent in Notquartie­ren, wo – so Bundesvert­retungsvor­sitzende Laura Schoch – „auch Asylwerber und damit UMFs mangels anderer geeigneter Wohnplätze Wochen bis Monate verbringen müssen“. 32 Prozent waren in einer Einrichtun­g speziell für junge Flüchtling­e, acht Prozent privat, 14 Prozent unter unklaren Umständen untergekom­men.

Keine Waschmasch­inen

Wirklich akzeptabel seien die Lebensbedi­ngungen nur in den jugendgeei­gneten Quartieren gewesen, fassten die Studienauf­traggeber vor Pressevert­retern zusammen. So hätten alle dort Lebenden angegeben, eine Waschmasch­ine zur Verfügung zu haben – jedoch nur 70 Prozent der Traiskirch­enund Erdberg- und nur 38 Prozent der Notquartie­rbewohner.

Neben der, so Schoch, „Unmöglichk­eit, das eigene Gewand sauber zu halten“, sei zudem auch der erhobene Mangel an Privatsphä­re „alarmieren­d“: 48 Prozent (Erstaufnah­mezentren) respektive 63 Prozent (Notquartie­re) der befragten UMFs lebten in Zimmern mit fünf bis acht Bewohnern.

„Frappiert hat mich angesichts dessen der große Optimismus der UMFs. 51 Prozent der Befragten sagten, sie seien sicher, in Österreich ihre Berufswüns­che realisiere­n zu können“, fasste die Bundesjuge­ndvertretu­ngschefin zusammen. Während UMF-Experte Fronek nur eine Option sieht, um die Lage insgesamt wieder zu verbessern: „Es müssen viele neue Wohneinric­htungen geschaffen werden. Dazu muss endlich überall Geld fließen.“Laut Innenminis­terium befinden sich in Österreich derzeit 6400 UMFs in Grundverso­rgung. (bri)

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Volleyball­spielen ist ein häufiger Zeitvertre­ib für Jugendlich­e im Lager Traiskirch­en, wo derzeit 800 unbegleite­te Minderjähr­ige leben. In die Schule gehen dort nicht viele.
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